Bewertung
Kaminer, Wladimir

Russendisko

"Man richtet für uns ein großes Ausländerheim in drei Plattenbauten von Marzahn ein, die früher der Stasi als eine Art Erholungszentrum gedient hatten."

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Inhalt

Alltagsgeschichten einer sowjetischen Familie, die nach Deutschland auswanderte beziehungsweise nach Deutschland einreiste, um einen Neuanfang zu machen. Typische Ereignisse einer russendeutschen Familie, die den normalen Wahnsinn des Alltags lebt.

"Mein Vater sehnte sich in Deutschland nach neuen Aufgaben, nach Verantwortung und Kampf um Leben und Tod. So kam er auf die Idee, den Führerschein zu machen. Damit war er erst einmal für die nächsten zwei Jahre beschäftigt. Sein erster Fahrlehrer sprang mitten im Verkehr aus dem Auto. Sein zweiter Fahrlehrer weigert sich schriftlich, mit ihm im selben Wagen zu sitzen. 'Beim Fahren betrachtet Herr Kaminer unentwegt seine Füße', schrieb er in einer Erklärung an den Fahrschulleiter. Der dritte Fahrlehrer war ein mutiger Kerl. Nachdem beide mehrere Stunden zusammen im Auto verbracht und dem Tod ins Gesicht gesehen hatten, wurden sie wie Brüder. Der Fahrlehrer schaffte es, meinem Vater die Führerschein-Idee endgültig auszureden."

Kritik

Allein das erste Kapitel des Romans verspricht viel und der Titel verrät einem schon, dass es eine humoristische Erzählung darüber ist, wie Russen, ehemals Deutsche, wieder nach Deutschland kommen und sich doch mit nichts identifizieren können. Ihre ersten Versuche im Land Fuß zu fassen, sind hier nicht die Besten. Mitleid mit Tiefschlägen verspürt man keine, eher Schadenfreude.

Das Problem an dem ganzen Buch ist nur, dass er den Humor während der Kapitel nicht halten kann. Stellenweise kommt auch ein wenig Langeweile auf, die jedoch immer wieder durch grandiose, nicht sofort erkennbare Witze gestoppt wird. Ebenso hält Kaminer kein Blatt vor den Mund und spricht alles frei heraus, was andere womöglich für unpassend oder geschichtlich verwerflich halten könnten. Besonders das heikle Thema von Juden. Doch hier gilt: Über sich selbst lacht man am besten.

Wo die ersten Schritte erfolgten, müssen weitere folgen. Die Erkundung der Stadt, der Etablissements und der Menschen. Völlige Fremde. Menschen, die sie in der verschlossenen Sowjetunion wohl nie zu Gesicht bekommen hätten. Die Begegnung mit einem Franzosen kann noch witziger sein, als es sich Deutsche sowieso schon vorstellen. Stereotypen werden hier stark ausgereizt. Wie in vielen Büchern darf die Liebe nicht fehlen. Hier ist sie da, doch emotionale Höhen erreicht man sicherlich nicht.

Fazit

Ein wunderbarer Einblick in das Leben von Deutschen, die doch keine sind, in einem Land, dass sich für weltoffen und aufgeklärt hält.

Ignat Kress - myFanbase
12.12.2007

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