Bewertung
Berendt, John

Mitternacht im Garten von Gut und Böse

Ein Yankee, das Leben im überteuerten und stylischen New York der frühen 80er Jahre überdrüssig, findet in Kurztrips in den amerikanischen Süden die gesuchte Entspannung und bleibt, fasziniert von Savannah und seine Bewohner, mehrere Jahre...

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Inhalt

So die Ausgangsposition des Autors (der darüber hinaus für sein Werk reklamiert, nicht fiktiv zu schreiben). Schritt für Schritt zieht ihn die Stadt in ihren Bann, bald gibt er sein biurbanes Wohnen zugunsten Savannah auf. Trotz der - zumindest äußerlich vollzogenen - Integration in die Südstaatenstadt verliert der Ich-Erzähler bei der Beschreibung der Bewohner und ihrer Eigenarten nie den distanzierten Blick des Fremden, noch gewinnt er in den Augen der Einheimischen den Status eines echten Savannahian. Aber gerade weil der Ich-Erzähler als Autor die Stadt besucht (und in Erwartung des Buches) findet er schnell Anschluss und Zugang zu den Geschichten der Menschen. Und die sind allesamt kurios, absonderlich, phantastisch.

Da ist Luther Drigger, ehemals Schädlingsbekämpfer, nun von Dämonen geplagt, der stets eine Flasche mit - angeblich - Gift bei sich trägt und droht, es an einem seiner schlechten Tage in das Wasserverteilungssystem der Stadt zu kippen. Da ist Joe Odom, der ein offenes Stadthaus führt und dabei erfinderisch und auf keinen Fall gesetzesgetreu seinen Lebensunterhalt verdient (und sich dank seines Charmes aus jeder Verhandlung herauswindet). Nicht zu vergessen die Damen vom Bridgeclub für verheiratete Frauen, die nach einem strengen Reglement ihre Kartenabende verbringen, die schwarze Drag Queen, in der man die vollendete Lady kennen lernt. Und Jim Williams, der Selfmade-Millionär und Antiquitätenhändler, der jedes Jahr DIE Weihnachtsparty der Stadt gibt und eines Tages im Arbeitszimmer seinen 21jährigen Liebhaber erschießt.

Kritik

In zwei große Teile gegliedert, vermittelt der Roman ständig das Gefühl des Zusammengebastelten, als wäre es dem Autor sehr schwer gefallen, die Aneinanderreihung von Anekdoten, zu denen er angibt, dass sie der realen Welt entstammen, zu einem Gesamtwerk zusammenzufügen. So drängt sich dem Leser das Gefühl auf, die Unterteilung in diese beiden Teile sei weniger ein Kunstgriff als die Unfähigkeit, das Gesehene in eine runde Handlung zu verstauen.

Der erste Teil widmet sich vornehmlich der Ankunft des Ich-Erzählers in Savannah, seinem Zurechtfinden in der neuen Stadt, die nicht einfach nur neu ist, sondern komplett verschieden von den Orten, die er bisher kennen gelernt hat. Schnell mündet dieser Part in einer Folge von Biografien, Häuserbeschreibungen, Geschichtchen. Sicher amüsant zu lesen, hätte man sie vielleicht eher im Feuilletonteil einer Wochenzeitschrift erwartet, der Leser sucht vergeblich nach einem roten Faden. Einziger Verknüpfungspunkt, einzige Gemeinsamkeit der einzelnen Episoden, ist die Besichtigungstour des Ich-Erzählers durch Savannah.

An dieser Stelle kann man nur loben. Gelungen ist Berendt die Wiedergabe des Stadtbildes, die malerischen Strassen und Häuser und die Menschen und ihr alltäglichen Freuden und Tragödien hinter den Fassaden. Er besteht dabei darauf, in Savannah einen besonderen Menschenschlag kennengelernt zu haben, der sich in seinem Stolz, seinem Starrsinn, seiner Gabe zur Gastfreundlichkeit, Vorliebe für große Gesten und der Wahrung des äußeren Scheins (um welchen Preis auch immer) von dem Durchschnittsamerikaner abhebt. Gleichzeitig erfährt der Leser über den Ich-Erzähler so gut wie nichts, keine Daten, kein Vorleben, der Protagonist hält sich vollständig aus dem Geschehen zurück und gibt so den perfekten Beobachter.

Dementsprechend hat das Buch teilweise den Charakter eines Reiseberichts, der ausführlich die historischen Begebenheiten dieses und jenes Hauses, die Gründungsgeschichte der Stadt etc. wiedergibt und die Figuren weniger handeln als endlose Monologe wiedergeben lässt.

Der zweite Teil verdankt seiner teilweise gut verfolgbare Storyline dem unnatürlichen Tod eines jungen Callboys. Allerdings teilt dieser Part mit dem ersten zunächst lediglich ein paar Figuren und den Handlungsort. Und der sorgsam im ersten Teil vorgestellte Savannahian-Menschenschlag kann nun zeigen, dass schwule Millionäre und ihre Callboys nur respektiert werden, wenn zwar jeder weiß, was läuft, es aber nicht in der Öffentlichkeit zugeben muss.

Der Autor hatte gutes Rohmaterial für eine Geschichte zu seiner Verfügung - aus dieser Sicht ist das Ergebnis wenig befriedigend.

John Berendt lebt als Journalist in New York.

Nadja - myFanbase
10.01.2005

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