Bewertung
Regener, Sven

Herr Lehmann

Wie wichtig ist der Mauerfall gegen die Frage, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man betrunken ist?

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Inhalt

Herr Lehmann heißt eigentlich Frank, aber weil er bald 30 wird, nennen ihn alle nur noch Herr Lehmann. Bis dahin wird sein Leben aber noch mal gründlich auf den Kopf gestellt: seine Eltern wollen ihn zum ersten Mal seit zehn Jahren in Berlin besuchen und haben keine Ahnung, dass Frank "nur" Kellner in einer Kneipe ist. Plötzlich tauchen in seinem Leben auch noch ein mysteriöser Kristallweizentrinker und die wunderschöne Köchin Katrin auf, die für viel Chaos bei Herrn Lehmann sorgen. Und als dann auch noch ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag die Mauer fällt, beginnt Frank erst, sich über sich und seine Zukunft Gedanken zu machen.

Kritik

Sven Regener zeigt in seinem Roman eine Welt, die den meisten heute nicht mehr greifbar erscheint. Ostberlin existiert in Westberlin kaum, und wenn, dann nur als ganz fernes und fremdes Land. Die Protagonisten leben in ihrem eigenen Universum und scheinen anfangs zufrieden mit sich und der Welt zu sein.

Regener versteht es, seine Figuren so zu zeichnen, dass man ihre Unzufriedenheit durch ihre Fassade hindurch spürt, aber auch die Fassade aufrecht erhalten bleibt. Die Protagonisten schauen nicht über den Rand, gehen über keine Grenze und blicken aus Angst davor nicht einmal in ihre eigene Zukunft. Wer den Blick doch wagt, wird verrückt, so wie Franks bester Freund Karl, den er schließlich sogar ins Krankenhaus bringen muss.

Regener beschreibt den Tagesablauf seines Helden über mehrere Wochen hinweg, obwohl er eine Beziehung durchlebt, besteht er weder Abenteuer noch sonst irgendwelche aufregenden Situationen. Einerseits bildet sich dadurch sehr gut der Mangel an Möglichkeiten, die Antriebslosigkeit und Ungewissheit der Protagonisten ab, andererseits wird dadurch vom Leser auf manchen Seiten ein großes Maß an Ausdauer gefordert.

Die Protagonisten sind meistens betrunken – das beschert dem Leser nicht nur manchmal etwas anstrengende Dialoge sondern auch viele witzige Szenen. Und von den vielen Personen im Buch muss man mehr als nur eine einfach gern haben, sei es Franks naive, überfürsorgliche Mutter oder seinen besten Freund, den "sanften Riesen" Karl.

Das Buch gewährt realistisch wirkende, tiefe Einblicke in eine Welt, die mittlerweile seit fast 20 Jahren nicht mehr existiert. Außerdem ist es als Westberlin-Roman ein Gegensatz zu den vielen Büchern über Ostberlin und zeigt somit die andere Seite einer vergangenen Welt.

Fazit

Wer sich für DDR-Filme und –Literatur, die in der letzten Zeit einen Boom erlebt haben, interessiert, für den ist "Herr Lehmann" absolutes Pflichtprogramm. Es ist nicht nur witzig, es bringt dem Leser auch noch ganz nebenbei ein bisschen Geschichte bei. Wer sich allerdings den gleichnamigen Film ansehen will, sollte auf das Buch lieber verzichten – die beiden ähneln sich doch zu sehr, um zweimal unterhaltend zu sein.

Autor

Sven Regener wurde 1961 in Bremen geboren und ist neben Schriftsteller auch noch Mitbegründer der Band "Element of Crime". Für Sven Regener ist es sehr wichtig, dass er genauso Musiker wie auch Schriftsteller sein kann. "Herr Lehmann" ist der erste Teil einer Trilogie über das Leben von Frank Lehmann. Nacheinander sind noch die Teile "Neue Vahr Süd" und "Der kleine Bruder" erschienen.

Claudia Holzknecht - myFanbase
22.11.2008

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