Bewertung
Hill, Reginald

Das Fremdenhaus

Mit Schimpf und Hohn verspotte nicht den Fremden noch den Fahrenden. Selten weiß, der zu Hause sitzt, wie edel ist, der einkehrt.

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Inhalt

Unanhängig voneinander begeben sich zwei Menschen in das abgelegene englische Dorf Illthwaite, um Geheimnissen aus der Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Die junge australische Mathematikerin Samantha "Sam" Flood vermutet, dass ihre Großmutter aus Illthwaite stammt und einst unter dubiosen Umständen nach Australien verschifft wurde, während der spanische Historiker Miguel "Mig" Madero erforschen will, wie das mysteriöse Schicksal seines gleichnamigen Vorfahren aus dem 16. Jahrhundert mit dem Leben eines englischen Priesters zusammenhängt, der sich damals in Illthwaite vor der staatlichen Verfolgung der Katholiken versteckte. Sams und Migs Ankunft sorgt in Illthwaite für Unruhe. Nach und nach kommen die beiden Fremden den Geheimnissen der verschlossenen Gemeinde auf die Spur und entschlüsseln Rätsel, Schicksale und Verbindungen, die weit zurückreichen.

Kritik

Mit "Das Fremdenhaus" ist dem Autor Reginald Hill die komplexeste Verknüpfung von Gegenwarts- und Historienroman gelungen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt jemals das Vergnügen hatte, lesen zu dürfen. Gemeinsam mit den Charakteren Sam und Mig begeben wir uns in den Ort Illthwaite, der schon sehr alt ist, jedoch im Sterben liegt. Viele Familien, die seit Jahrhunderten in Illthwaite ansässig sind, sterben langsam aus, die jungen Menschen ziehen weg, immer mehr Einrichtungen wie Schule und Postamt werden geschlossen. In dieser Phase erscheinen die beiden Fremden auf der Bildfläche, die, wie sich langsam entschlüsselt, im Grunde gar nicht so fremd sind, denn ihre Existenzen sind tief mit der Geschichte von Illthwaite verknüpft. Erst unabhängig voneinander, dann immer mehr gemeinsam, reißen Sam und Mig alte Wunden auf und bringen die Geheimnisse von Illthwaite ans Licht, bevor der sterbende Ort diese mit ins Grab nehmen kann.

Von der ersten Seite an ist es faszinierend, den Enthüllungen zu folgen. Reginald Hill gelingt es meisterhaft, einen Bogen vom 16. Jahrhundert über die 1960er Jahre bis ins Jahr 2005 zu spannen, in dem der Roman spielt. Bis zur allerletzten Seite, genauer gesagt bis hin zum allerletzten Satz, enthüllen sich Geheimnisse und Verbindungen. Man kann gar nicht anders, als den Roman in kürzester Zeit durchzulesen, da man alle Antworten bekommen will und nach jeder Enthüllung die nächste kaum erwarten kann. Dabei geht es nicht akut um Leben und Tod und um schnelle Aufklärung, denn die Ereignisse, denen es auf die Spur zu kommen gilt, liegen lange zurück, doch man empfindet es dennoch als bedeutsam, dass die Geheimnisse enthüllt werden und sowohl Sam als auch Mig die Wahrheit über ihre Vorfahren und ihre Herkunft erfahren.

Die Charaktere Sam und Mig tragen dabei sehr viel zum Gelingen des Romans bei. Sam ist eine rothaarige Australierin, die körperlich jünger wirkt, als sie ist, und ihren Abschluss im Fach Mathematik mit Auszeichnung bestanden hat. Mig ist ein nicht viel älterer Spanier, der kurz davor war, Priester zu werden, sich nun aber der Geschichte widmet und ein besonderes Gespür für geisterhafte Präsenzen hat. Er hat vereinzelte Visionen und kann vergangene Ereignisse auf abstrakte Weise nachempfinden. Sam und Mig sind sich nicht auf Anhieb geheuer. Sie als Wissenschaftlerin und er als gläubiger Katholik haben viele völlig verschiedene Ansichten und liefern sich einige sehr humorvolle Streitgespräche. Doch ihre jeweiligen Nachforschungen verschmelzen und sie sind auf Arten verbunden, die sie zunächst nicht ahnen.

Fazit

"Das Fremdenhaus" ist ein komplexer, faszinierender Roman über Vergangenheit und Gegenwart, der auch durch seine beiden sympathischen Hauptfiguren punkten kann.

Maret Hosemann - myFanbase
12.02.2009

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