Bewertung
Wray, John

Retter der Welt

Wenn der Holländer existierte, war es möglich, dass die Welt doch nicht unterging.

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Inhalt

William Heller ist ein sechzehnjähriger Jugendlicher, der alles andere als normal ist. Er ist schizophren und hatte vor einiger Zeit auf einem U-Bahnhof seine gute Freundin Emily durch einen Stoß auf die Gleise beinahe getötet. Auch eine lange Behandlung konnte seinen Zustand nicht wirklich bessern. Er nennt sich Lowboy und muss sich mit Figuren auseinander setzen, die er Schädel und Knochen nennt. Nun ist er wieder abgehauen und irrt durch sein geliebtes New Yorker U-Bahn-System, doch er hat auch ein klares Ziel vor Augen. Er will die Welt retten, denn seit Jahren schon wird es immer wärmer. Nur er fühlt sich dazu in der Lage. Seine Mutter hat sich inzwischen an einen Privatdetektiven gewendet, der William finden soll, bevor wieder etwas Schlimmes passiert.

Kritik

John Wray hat mit "Retter der Welt" seinen dritten Roman geschrieben und wird von den Kritikern als einer der besten Nachwuchsautoren der USA gefeiert, von dem man noch viel erwarten darf. Die Vergleiche reichen bis hin zu Dostowjewski. Mit solch einer Reputation bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden und der Klappentext hat mir sofort verdeutlicht, dass dieses Buch gelesen werden muss. Folgendes lässt sich dort finden: Verfolgt von einem Profiler des NYPD, der vielleicht genauso verrückt ist wie er, hetzt er durch die Tunnel des New Yorker U-Bahn-Systems.

Leider trifft diese Beschreibung nicht wirklich den Kern des Buches, denn eine rasante Verfolgung ist definitiv etwas ganz Anderes. Man musste schon lange warten, bis es überhaupt zu einem Abschnitt kommt, den man Verfolgung nennte konnte und der ist dann nicht im U-Bahn-System. In dieser Hinsicht wird man also vollständig enttäuscht. Brisanz und Dramatik gibt es in dieser Form nicht wirklich. Man darf sich von der Wortgewandtheit des Werbetextes also nicht beeindrucken lassen.

Das heißt aber noch lange nicht, dass das Buch dadurch weniger lesenswert gewesen ist. Zwar muss man sich erstmal ein bisschen an die Figur Lowboy gewöhnen und Konzentration aufbringen, um der Geschichte zu folgen, wenn man dann aber richtig im Buch steckt und sich auch damit abgefunden hat, dass der Klappentext nicht der Wahrheit entspricht, merkt man, dass man etwas Wertvolles in seinen Händen hält. Die Stil des Autors ist sehr gefällig. Die Vergleiche, Bilder und Metaphern, die John Wray anbringt, sind überzeugend, passend und bereiten große Lesefreude, ganz davon abgesehen, dass sie immer wieder dazu beitragen, in die Geschichte eintauchen zu können. Diese ist von der Dramaturgie auch gut aufgebaut. Abwechselnd befindet man sich bei William oder bei dem Detective und in kleinen Häppchen bekommt man mehr und mehr Informationen über den Protagonisten.

Neben dieser Hauptstory finden sich auch immer wieder kleine Details, an denen man rumdeuten kann, wenn man das gerne möchte. Dazu ist es sicherlich auch gut, das Buch ein zweites Mal in die Hand zu nehmen, um sich selbst die richtigen Fragen stellen zu können. Welche Rolle spielen die Figuren Schädel und Knochen? Wie lässt sich die Vorliebe für das U-Bahn-System deuten? Und vieles mehr, das gerade zum Ende hin wirklich interessant ist. "Retter der Welt" ist also alles andere als eine spannende Unterhaltungsliteratur für den Schnellleser, sondern ein anspruchsvolles Leseerlebnis, mit dem man sich richtig lange beschäftigen kann. Insofern kann man als eine Art Literaturlaie den Kritikern sicherlich recht geben.

Fazit

Dieser anspruchsvolle Roman ist nichts zum Nebenbeilesen als pure Unterhaltung, sondern erfordert Konzentration und Aufmerksamkeit auf jedes Wort. Man muss bereit sein, mit diesem Buch zu arbeiten, zu deuten und über Einzelheiten und die gesamte Geschichte nachzudenken. Mit dieser Herangehensweise kann "Retter der Welt" dann richtig viel Freude bereiten.

Emil Groth - myFanbase
05.03.2009

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