Bewertung
Phillips, Marie

Götter ohne Manieren

"Ich habe hier einen ohnmächtigen Gott auf meinem Küchenboden, und ich glaube, die Welt geht gleich unter."

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Inhalt

In der Antike führten die Götter des Olymps ein Dasein im puren Luxus, wurden angebetet und strotzten vor Macht, doch diese Zeiten sind lange vorbei. Im 21. Jahrhundert glauben die Menschen längst nicht mehr an Zeus und seine Familie. Also halten die Götter mit schwindenden Kräften weiterhin die Welt in Gang und fristen dabei ein miefiges Dasein. Gemeinsam leben die wichtigsten Götter in einer heruntergekommenen Villa in London und verdienen sich den Lebensunterhalt mit schlechten Jobs. So bietet die Liebesgöttin Aphrodite Telefonsex an, Artemis, die Göttin der Jagd, führt Hunde aus und Dionysos, der Gott des Weines, besitzt einen zweifelhaften Nachtclub, gegen den die Behörden regelmäßig Sturm laufen. Von Harmonie kann in der Götterfamilie keine Rede sein.

Das Schicksal (und der mögliche Weltuntergang) nehmen ihren Lauf, als Alice in das Leben der Götter tritt. Aphrodite rächt sich an ihrem Neffen und Geliebten Apoll, dem Sonnengott, und sorgt dafür, dass dieser sich unsterblich in Alice verliebt, während diese nur Augen für den schüchternen Ingenieur Neil hat. Nichts von diesem Drama ahnend stellt Artemis Alice als Putzfrau ein...

Kritik

Milliarden von Christen, Moslems und Juden können nicht irren ... oder doch? Gibt es tatsächlich nicht nur einen Gott sondern eine ganze Schar von Göttern, die unseren Planeten am Laufen halten, so wie es die Griechen und die Römer, unter Zwang vielleicht auch ein paar Germanen, in der Antike geglaubt haben? In diesem Fall, und genau den erschafft Marie Phillips in ihrem Debütroman, ist es für die Menschen und die Götter gleichermaßen beschissen, dass der Glaube an den Olymp längst von anderen Religionen verdrängt wurde.

Daran, dass niemand mehr an sie glaubt, sind die Götter freilich nicht ganz unschuldig, denn gute Vorbilder sind sie wahrlich nicht. Im Vergleich zu einem Jesus Christus ist so ein Apoll schon ein ziemlicher Drecksack. Marie Phillips hält sich im Grunde nur an die Vorlagen und nimmt bei der Verpflanzung der antiken Götter in die moderne Zeit deren Exzesse und Eskapaden einfach mit. Wer sich ein bisschen in der antiken Sagenwelt auskennt, weiß, dass die Götter des Olymps zu Perversionen, Gewalt und extremen Hochmut neigen. Keine griechisch-römische Sage, in der ein Gott auftritt, kommt ohne Sex oder Gewalt aus. So sind Zeus, Hera, Apoll, Artemis, Aphrodite, Hermes, Ares und wie sie alle heißen auch im 21. Jahrhundert noch eine ziemlich zügellose, streitbare Bande, aus deren Haus selbst die Supernanny nach wenigen Minuten schreiend davon stürzen würde, doch die lange Existenz und der zunehmende Macht – und Bedeutungsverlust haben Spuren bei den Göttern hinterlassen, die immer verletzlicher werden.

Es ist nicht zwingend notwendig, mit der antiken Mythologie vertraut zu sein, was die menschlichen Charaktere in diesem Roman ja auch nicht sind, um "Götter ohne Manieren" zu verstehen und zu genießen, doch mir als jemandem, der schon immer einen Faible für die griechische Sagenwelt hatte, hat es doch sehr viel Spaß gemacht, diese ins 21. Jahrhundert versetzt zu erleben. Einige der bekanntesten Mythen, wie die von Orpheus und Eurydike, Herakles (einigen vielleicht eher unter dem römischen Namen Herkules bekannt), Daphne, Odysseus und ein paar andere mehr spielen eine nicht ganz unwichtige Rolle, da sie als Präzedenzfälle dienen. Auch hier gilt, dass die Sagen immer kurz zusammengefasst werden, da die menschlichen Charaktere zum Leidwesen der Götter zwar biblische Motive kennen, aber eben nicht die antiken Mythen.

Marie Phillips schöpft in ihrem Roman viele der Möglichkeiten aus, die die antike Sagenwelt hergibt, aber natürlich längst nicht alle. Das ist jedoch kein Grund zur Enttäuschung, denn die Gefahr, ob der vielen Gestalten, die in der antiken Mythologie zu finden sind, eine überladene, unübersichtliche Story zu stricken, ist groß, wird hier aber gekonnt vermieden.

Fazit

Wer hätte gedacht, dass der Ausspruch "Oh mein Gott" eine Beleidigung darstellen könnte? Marie Phillips bietet mit "Götter ohne Manieren" einen witzigen, originellen Roman über die Götter des Olymps im 21. Jahrhundert.

Maret Hosemann - myFanbase
18.04.2009

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