Bewertung
Hiaasen, Carl

Letztes Vermächtnis

News und Rock 'n' Roll unter der Sonne Floridas.

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Inhalt

Als "Nachruf-Shakespeare" fristet Jack Tagger ein eher trostloses Dasein bei einer großen Tageszeitung in Florida. Seit er sich mit dem Zeitungsmogul Race Maggad III angelegt hat, darf der frühere Spitzenreporter nur noch Nachrufe auf Verstorbene verfassen. Das Blatt wendet sich jedoch, als Jack von dem Tod des ehemaligen Skandal-Rockers Jimmy Stoma erfährt, der bei einem Tauchunfall ums Leben gekommen sein soll. Jack fallen einige Ungereimtheiten auf und auch das Verhalten von Jimmys blutjunger Witwe Cleo, einem ehrgeizigen Popsternchen, weckt das Misstrauen des degradierten Spitzenjournalisten. Gemeinsam mit der Redakteurin Emma, seiner Lieblings-Intimfeindin, beginnt Jack zu ermitteln und stößt auf Hinweise, dass Jimmy heimlich an einem Comeback-Album gearbeitet hat. Dann stirbt ein alter Bandkollege von Jimmy und Jimmys Schwester verschwindet spurlos. Jack steckt in der größten Story seines Lebens.

Kritik

In "Letztes Vermächtnis" nimmt sich Carl Hiaasen, der Mann, dessen Gesicht die Reichen und Mächtigen von Florida nachts in ihren Alpträumen sehen, das Zeitungswesen vor. Eigentlich hatte ich eher mit einem literarischen Rundumschlag gegen die Musikindustrie gerechnet, doch in Bezug auf das Showbusiness bewegt sich der Roman nur an der Peripherie und spielt weniger auf der großen Bühne der Musikwelt, als vielmehr in deren hartem Vorprogramm. Der unter mysteriösen Umständen verstorbene Jimmy Stoma und seine Bandkollegen haben ihre besten Zeiten längst hinter sich und gelten fast als vergessen, während Jimmys Witwe Cleo nach einem Hit, dem sie nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken hat, dass sie im dazugehörigen Video ihre Schamhaare zeigt, verzweifelt versucht, trotz mangelndem Talent ganz groß rauszukommen. Ihr zur Seite stehen fragwürdige Experten, die bei der Grammy-Verleihung nicht einmal die Toiletten putzen dürften.

Die Welt des Zeitungsjournalismus' kennt die Hauptfigur Jack dagegen bis ins tiefste Innere, hat der Reporter doch am eigenen Leib miterlebt, wie die Prämisse einer Zeitung, das gute Gewissen des Staates zu sein und die Bürger über Lug, Betrug und Korruption in höchsten Kreisen aufzuklären, mehr und mehr von dem Ziel, mit wenig Aufwand so viel Geld wie möglich zu verdienen, überlagert wird. Ganze Zeitungsressorts fallen weg, um in jeder Ausgabe mehr Platz für Werbeanzeigen zu schaffen, und Einstellungsstopps führen zu rapidem Personalmangel. Jack, der die Missstände anprangert, wird degradiert.

Man merkt im Verlauf des Romans, dass Carl Hiaasen, selbst Journalist, bei diesem Thema sehr parteiisch ist. Er lässt kein gutes Haar an der Finanzwelt und stellt den Zeitungsmogul Race Maggad III, ein Sinnbild für real existierende Medienbosse, als gierigen, verlogenen und in Bezug auf echten Journalismus inkompetenten Großkotz dar. Die Tatsache, dass einem die mangelnde Objektivität von Hiaasen aufzufallen vermag, ändert aber nichts daran, dass man als "kleiner" Leser, der mit aller größter Wahrscheinlichkeit niemals eine sechsstellige Zahl auf seinem Kontoauszug sehen wird (zumindest nicht ohne ein Minuszeichen davor) voll und ganz auf der Seite von Hiaasen und seinem Charakter Jack Tagger steht.

Neben viel Wortwitz überzeugen in "Letztes Vermächtnis" auch die gut platzierten Running Gags, wie Jacks durch seine Tätigkeit als Nachrufschreiber erworbene Macke, genau zu wissen, in welchem Alter berühmte Persönlichkeiten gestorben sind, und dies ständig auf die Lebenden in seinem Umfeld zu übertragen. Wenn er das Alter einer Person erfährt, weiß er gleich, welche großen Persönlichkeiten aus Musik, Film, Sport, Politik und Literatur in eben jenem Alter das Zeitliche gesegnet haben (und wie es passiert ist). Diese Macke beschert Jack viele Alpträume in Bezug auf seine eigene Sterblichkeit.

Insgesamt ist der Humor nicht ganz so schwarz und die Charaktere erscheinen nicht ganz so schräg und dominant wie beispielsweise in Hiaasens "Der Reinfall", da die Perspektive der "Bösen" weniger beleuchtet wird und sie psychisch nicht ganz so viel auf den Deckel bekommen, dennoch ist der Unterhaltungswert auch bei "Letztes Vermächtnis" wieder sehr hoch.

Fazit

Carl Hiaasen versteht es mit viel Humor, wenn auch mit wenig Objektivität, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen in Florida (sinnbildlich für viele andere Orte in der Welt) anzupacken.

Maret Hosemann - myFanbase
28.05.2009

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