Bewertung
Dierssen, Oliver

Fledermausland

Sind Sie schon einmal nackt einer Fledermaus begegnet?

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Inhalt

Der 21-Jährige Sebastian Schätz weiß nicht so recht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er ist nach Hannover gezogen, um zu studieren, bringt es jedoch nicht über sich, seine Studienbewerbungen abzuschicken. Stattdessen hält er sich mit einem eher unangenehmen Job in einem Asiashop über Wasser und versucht das Herz seiner Traumfrau Kim zu erobern, die immer noch ein schlechtes Gewissen wegen ihres Ex-Freundes hat.

Eines Nachts verirrt sich eine Fledermaus in Sebastians kleine Wohnung. Bei dem Versuch, sie zu verjagen, wird er in einen kuriosen Unfall verwickelt und von zwei sehr mysteriösen Sanitätern, die ihm eigenartige Fragen stellen, gerettet. Fortan nimmt sein Leben eine groteske Wendung nach der anderen. Auf der Kinotoilette wird er von einem depressiven Vampir angegriffen, ein russischer Zauberer nistet sich in seiner Wohnung ein und Zwerge fordern von ihm Rundfunkgebühren. Als auch noch Kim verschwindet, holt Sebastian zum Gegenschlag aus.

Kritik

Wenn ich mir eine Stadt überlegen müsste, in der übernatürliche Wesen herumschleichen und sich rätselhafte Dinge ereignen sollen, die verwöhnte Leser zu faszinieren wissen, wäre die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover sicher nicht meine erste Wahl. Bei Kandidaten wie New York, Detroit, London, Rom, Paris, Berlin, Moskau, Tokio, und so weiter, wäre Hannover wohl nicht einmal unter den Top Eintausend. Gerade deshalb ist es eine durchaus originelle und ironische Idee von Oliver Dierssen, seinen Fantasyroman in dieser unspektakulären deutschen Stadt spielen zu lassen, die von einem großen Magazin auch schon mal zur zweitlangweiligsten Stadt unseres Landes gekürt wurde.

Der Hauptheld und Ich-Erzähler Sebastian Schätz ist eine lebensechte, sympathische Figur, mit der man sich mühelos identifizieren kann. Er ist von solider Intelligenz und Bildung, ohne herauszuragen. Er versucht zu ergründen, was er eigentlich mit seinem Leben anfangen will, wobei ihm keiner wirklich helfen kann. Die erste große Liebe bereitet ihm abwechselnd Kummer und Freude. Als sich überaus schräge Gestalten in sein Leben zu drängen beginnen, versucht er anfangs noch, logische Erklärungen zu finden oder einfach nicht darüber nachzudenken, doch das funktioniert nur eine begrenzte Zeit. Er wird zunächst in die Defensive gedrängt, lernt aber nach und nach, sich zu wehren.

Obwohl man als Leser im Gegensatz zu Sebastian von Beginn an weiß, dass es sich bei den seltsamen Personen wirklich um übernatürliche Geschöpfe handelt, die sich nicht rational erklären lassen, besitzt man doch keinen großen Wissensvorsprung vor dem Ich-Erzähler, denn was die einzelnen Gestalten genau sind, wo sie herkommen und was sie eigentlich von Sebastian wollen, ist gar nicht so einfach zu durchschauen. Der Leser entdeckt zusammen mit Sebastian die bizarre Welt, die unter Hannovers eintöniger Oberfläche lauert, und wird immer wieder auf amüsante Weise überrascht. Der Handlung mangelt es nicht an absurd-witzigen Ideen. So bleibt "Fledermausland" bis zum Ende spannend und interessant.

In der Handlung stecken, neben Seitenhieben auf deutsche und amerikanische Medien, viele Anspielungen auf das Leben und die Gesellschaft. Deutscher Behördenwahnsinn wird fantasievoll karikiert, mit Schwarz-Weiß-Denken wird aufgeräumt und die emotionale Verwirrung, die das Verliebtsein mit sich bringt, wird versinnbildlicht. Letzteres ist im Grunde der Kerngedanke von "Fledermausland": du bist zum ersten Mal richtig verliebt und plötzlich spielt die ganze Welt verrückt.

Fazit

"Fledermausland" ist ein unterhaltsamer, spannender Roman und das Beste, was Hannover seit langem passiert ist.

Maret Hosemann - myFanbase
23.02.2010

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