Bewertung
Ewan, Chris

Kleine Morde in Paris

"Vorsicht, Charlie – sonst wird aus dir am Ende noch eine glaubwürdige Figur."

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Inhalt

Der britische Meisterdieb und Kriminalautor Charlie Howard lässt sich in Paris von einem Fan namens Bruno dazu überreden, zu Demonstrationszwecken in dessen Wohnung einzubrechen. Am nächsten Tag bereut Charlie die unüberlegte Aktion, doch es ist bereits zu spät: er steckt knietief in einem rätselhaften Komplott. Die Wohnung gehört gar nicht Bruno, sondern einer Frau, die wenig später tot in Charlies Apartment sitzt, während Charlie im Besitz eines abscheulichen Gemäldes ist, hinter dem aus unerfindlichen Gründen halb Paris her ist. Der einzige Mensch, dem Charlie noch vertrauen kann, ist seine Agentin Victoria, mit der er seit langem befreundet ist – allerdings nur am Telefon.

Kritik

Die Vorstellung vom Gentleman-Gangster, vom charmanten Meisterdieb, der statt auf Gewalt lieber auf Intelligenz und Kreativität setzt und dessen lange Finger nur von der Höhe seines Niveaus übertroffen werden, hat Tradition, nicht zuletzt in der englischen Literatur. Chris Ewan widmet sich diesem Motiv mit einiger Ironie. Sein Meisterdieb Charlie Howard hat nicht nur mit Arthritis zu kämpfen, die ihm das elegante Einbrechen zusehends schwerer macht, sondern besitzt auch noch ein fantastisches Gespür für Fettnäpfchen, in die er pausenlos reinhüpft. Er wird ausgetrickst, belogen, benutzt und geschlagen. So muss er sehr viel schmutziger und körperbetonter zu Werke gehen, als es Gentleman-Gangster üblicherweise zu tun pflegen, um seine Haut zu retten.

Hinzukommt, dass Charlie in seiner Nebentätigkeit als Schriftsteller selbst einen Meisterdieb mit dem Namen Michael Faulks geschaffen hat, der nahezu unaufhaltsam ist und auch schon mal im Alleingang die CIA und die Mafia überlistet. Charlie vergleicht sich und den Schlamassel, den er in Paris erlebt, immer wieder mit seinem Romanhelden und dessen Abenteuer, nur um festzustellen, dass die Unterschiede doch gewaltig sind. Charlie ist nicht so unerschütterlich, brillant und technisch perfekt ausgestattet wie der von ihm erdachte Berufskollege, während das Komplott, in das Charlie gerät, viel kniffliger und gemeiner ist als die Storys, die er sich für seinen Helden ausdenkt.

"Kleine Morde in Paris" ist somit im Ganzen ein reflektierender Roman über ein Motiv, das sich selbst reproduziert: ein Meisterdieb schreibt über einen Meisterdieb und muss erkennen, dass er selbst nicht dieser Meisterdieb ist, sondern ein ganz anderer, der viel Verrückteres erlebt – und den wir als Leser unterhaltsamer finden als seine Romanfigur.

Der Handlungsort Paris wird betont in Szene gesetzt. Beinahe jedes bekannte Gebäude, jede größere Straße und jeder belebte Platz der Stadt wird mindestens einmal erwähnt. Wer noch nicht weiß, welche Orte er als Tourist in Paris besuchen sollte, erfährt es aus diesem Roman. Dies wirkt zuweilen etwas aufgesetzt und wichtigtuerisch, auch wenn dies womöglich sogar beabsichtigt ist. Schließlich braucht es für einen echten Gentleman-Gangster eine glanzvolle Stadt, die vor lauter Kultur fast aus den Nähten platzt.

Fazit

Mit feiner Ironie durchzogen, ist "Kleine Morde in Paris" ein unterhaltsamer Roman, der sich flüssig lesen lässt.

Zur Rezension von Band 3 "Vendetta in Las Vegas"

Zur Rezension von Band 4 "Schwarze Schafe in Venedig"

Maret Hosemann - myFanbase
26.02.2010

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