Bewertung
Grant, Jessica

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers

Das Flugzeug im Keller und andere Seltsamkeiten.

Foto: Copyright: Verlagsgruppe Random House GmbH
© Verlagsgruppe Random House GmbH

Inhalt

Audrey Flowers hat ihren ganz eigenen Blick auf die Welt. Gemeinsam mit ihrer sehr alten Schildkröte Winnifred lebt sie in einer kleinen Wohnung in Oregon. Als ihr Vater Walter ins Koma fällt und wenig später stirbt, kehrt Audrey in ihre kanadische Heimatstadt zurück. Dort warten nicht nur jede Menge Erinnerungen an ihre farbenfrohe Kindheit, sondern auch Geheimnisse, die es zu lösen gilt.

Was hat es mit Audreys Onkel Thoby auf sich, der nach Walters Tod spurlos verschwindet? Welche Rolle spielen Audreys ungeliebte Großmutter und der Anwalt Toff? Und wer hat die Familienmaus entführt? Der einzige Mensch, der Audrey wirklich versteht, ist der Weihnachtslichterkettenerfinder Judd.

Kritik

In dem deutschen Titel steckt das Adjektiv, das diesen Roman von Jessica Grant am besten beschreibt: erstaunlich.

Audrey ist eine aufgekratzte, ungebändigte Ich-Erzählerin. Sie berichtet uns ohne Punkt und Komma aus ihrem Leben – metaphorisch ausgedrückt. In Wahrheit werden Punkte und Kommas sehr wohl in der vorgeschriebenen Weise verwendet, dafür jedoch keine anderen Satzzeichen. Die wörtliche Rede steht nie in Anführungszeichen, Fragen werden nicht durch Fragezeichen gekennzeichnet und auch Ausrufezeichen sucht man vergeblich. Der Roman liest sich wie das Tagebuch einer nach gesellschaftlichen Maßstäben nicht gerade intelligenten, aber dafür fantasievollen, vor Lebensfreude übersprudelnden Person, die einfach nach Herzenslust herunterschreibt, was sie denkt, was sie fühlt und was sie erlebt. Sie spielt dabei mit der Sprache, zweckentfremdet sie, formt Wörter um, benutzt selbst kreierte Ausdrücke und baut französische Redewendungen ein. Inhaltlich wechselt sie freimütig zwischen der Gegenwart und Erlebnissen aus ihrer Kindheit hin und her.

Audrey ist jedoch nicht durchgängig als Erzählerin aktiv, denn mehrere Kapitel sind aus der Sicht einer anderen Person geschrieben. Einer über hundert Jahre alten Person, die Wochen braucht, um ein Zimmer zu durchqueren. Die Rede ist von der Schildkröte Winnifred, die Audrey bei einem befreundeten Paar untergebracht hat. Winnifred versteht zwar nicht alles, was um sie herum passiert, doch besitzt sie reichlich Lebenserfahrung und kann sogar lesen. Ihre Gedanken sind tatsächlich geordneter und ruhiger als die von Audrey.

Man muss sich definitiv erst an den Stil dieses Romans gewöhnen. Und man schafft es auch. Nach ersten Phasen des Stirnrunzelns und Kopfschüttelns findet man sich mehr und mehr in Audreys Art zu Denken und zu Sprechen ein. Mit der Zeit kann man sich an vielen Stellen das Grinsen kaum mehr verkneifen, da man ein herzliches "Ach ja, so ist sie, unsere Audrey!"-Gefühl entwickelt.

Aber worum dreht sich die Handlung nun eigentlich? Irgendwie um alles und nichts. Es geht um Flugzeuge, Taxis, Pferde, Mäuse, Weihnachtsdekoration, Familie, Liebe und Bücher. Audreys Leben ist die Handlung. Spannung im klassischen Sinne ist nicht vorhanden, stattdessen werden Elemente aus dem ganz normalen Alltag zu einer bunten, seltsamen, lustigen, fast 500-Seitigen Geschichte geformt. Erstaunlich, wie gesagt.

Fazit

"Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers" ist ein eigenwilliger Roman, der ein gewisses Maß an Geduld verlangt, aber fraglos seinen Charme hat. Ein Buch für alle, die mal was anderes lesen wollen.

Maret Hosemann - myFanbase
23.04.2010

Diskussion zu diesem Buch