Bewertung
McCarten, Anthony

Englischer Harem

"Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Ich heirate. Die schlechte: Er ist Perser. Und übrigens: Er hat bereits zwei Frauen."

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Inhalt

Tracy lebt bei ihren Eltern in einem total heruntergekommenem Hochhaus in England. Sie arbeitet in einem Supermarkt an der Kasse, bis sie dort gefeuert wird. So macht sie sich auf die Suche nach einem neuen Job und findet ihn in einem vegetarischen Restaurant als Kellnerin. Ihr Chef ist Sam, mehr als doppelt so alt wie Tracy, Perser und mit zwei Frauen verheiratet. Der Job bringt ihr viel Spaß. Sie hat binnen eines Tages die komplette Speisekarte auswendig gelernt, kommt sehr gut mit den Gästen zurecht und sie genießt es, in den Raucherpausen mit ihrem Boss zu diskutieren – über die verschiedenen Kulturen, in denen sie beide groß geworden sind, und vieles mehr.

Die Beziehung zwischen Tracy und ihrem Freund geht in die Brüche, und so langsam fängt sie an, Gefühle für Sam zu entwickeln – genauso wie er auch für sie. Doch das ist alles andere als einfach. Denn selbst in der heutigen Zeit hat Sam mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Vor allem weil er nicht nur Perser ist, sondern eben auch zwei Frauen gleichzeitig hat. Und auch für Tracy ist das alles andere als einfach.

Kritik

Das wunderschöne an diesem Buch ist seine Vielschichtigkeit. Es ist nicht nur ein Buch. Es ist eine Liebesgeschichte. Es geht um Familie. Um die verschiedenen Kulturen und ihre Sitten. Um die Vielehe. Um das Leben einer Familie der Unterschicht in London. Um Ausländerfeindlichkeit. Um Toleranz. Es ist nicht nur ein Buch. Die Gefühle reißen einen mit. Trauer, Freude, Wut.

Man hat das Gefühl, alles selber hautnah mitzuerleben, denn Anthony McCarten gelingt es umwerfend gut, seine Geschichte in Worte zu fassen. Er schreibt simpel. Er redet nicht viel herum, er schweift nicht ab. Seine Wörter sind voller Klarheit und Kraft, in meinem Kopf entstand während des Lesens eine kleine Welt. Ich war noch nie in London, ich war noch nie in einem persischen Restaurant. Aber McCarten gelang es, mich glauben zu lassen, ich sei dort gewesen.

Er greift auch gleich mehrere Themen auf, an die sich sicherlich nicht viele Autoren herangewagt hätten. Diese Gefühle, die Sam und Tracy füreinander entwickeln, werden von der Gesellschaft nicht wirklich akzeptiert. Denn Tracy ist Britin, Sam ist Perser. Sam ist mehr als doppelt so alt wie Tracy. Tracy arbeitet für Sam. Sam ist schon mit zwei Frauen verheiratet. Ich ziehe den Hut vor McCarten, dass er sich an diese Themen gewagt hat. Dabei bringt er auch genau die richtigen Werte rüber. Er zeigt, dass man tolerant sein soll und dass man voneinander lernen kann, und dass es nicht schlimm ist anders zu sein als andere. Und dass jeder ein Talent besitzt. Und dass die Liebe manchmal stärker ist als alles andere. Und dass man manchmal einfach auf sein Herz hören muss.

Ich will nicht zu viel über den Inhalt verraten, nichts darüber wie es endet. Aber "Englischer Harem" ist eins der besten Bücher, die ich zuletzt, oder sogar überhaupt, gelesen habe. Es gelingt McCarten, den Leser in das Geschehen mit hineinzuziehen. Seine Charaktere sind niemals platt, sondern interessant, man will und kann sich in jeden hineinversetzen. Selbst bei den Nebencharakteren merkt man sehr schnell, dass sie nicht etwa unwichtig oder zufällig gewählt sind. Es gibt auch immer wieder neue, unerwartete Wendungen. Das Buch überrascht einen, viele Male. Ich denke, das hat auch etwas damit zu tun, dass es nicht nur aus einer Perspektive geschrieben ist, sondern aus der Sicht jedes Charakters, der im Buch vorkommt. Dadurch kann man sich in jede Person hineinversetzen. Egal um wen es sich handelt – ob Mann oder Frau, jung oder alt, gut oder böse.

Fazit

Fantastisch! Ich liebe dieses Buch und habe es sofort allen Freunden und Bekannten empfohlen. Sehr lesenswert, endlich mal wieder ein wirklich klasse Roman!

Vivien B. - myFanbase
26.04.2010

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