Bewertung
Palahniuk, Chuck

Die Kolonie

Ein Aufruf an alle Schriftsteller: Verändern Sie ihr Leben!

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Inhalt

Der mysteriöse Mr. Whittier überredet 17 Möchtegern-Autoren, eine Künstlerkolonie zu gründen und sich für drei Monate vollkommen von der Außenwelt abzuschotten, um in Ruhe große Werke schreiben zu können. Die erwartete paradiesische Abgeschiedenheit entpuppt sich allerdings als ein altes Theatergebäude, in das Mr. Whittier die Teilnehmer einschließt. Statt Romane, Gedichte oder Drehbücher zu verfassen, verfallen die 17 Kolonisten dem Wahn, ihre "Entführung" und Einkerkerung durch Mr. Whittier zu ihrer Geschichte zu machen. Um nach ihrer Rettung als Opfer reich werden zu können, lassen sich die Männer und Frauen zu immer makaberen Aktionen hinreißen. Auch die Geschichten, die sie sich gegenseitig erzählen, enthüllen Schockierendes und Groteskes.

Kritik

Ungeachtet der Tatsache, dass ich nicht wirklich weiß, wie man ihn ausspricht, steht der Name Chuck Palahniuk für provokative Literatur voller Sex und Gewalt, die starke gesellschaftskritische Komponenten aufweist. Vor allem die Welt der Medien nimmt Palahniuk gerne auseinander. In seinem Roman "Die Kolonie" tut er eben dies auf ganz besonders makabere Weise.

Siebzehn Menschen, die sich als Schriftsteller sehen, aber noch nie etwas veröffentlicht haben, werden in ein altes Theatergebäude eingesperrt. Sie sprechen sich nicht mit ihren richtigen Namen an, sondern mit Pseudonymen, die aus ihren Sünden und Schwächen abgeleitet sind. Im Prinzip das Gegenteil von Superheldennamen. Diese Menschen wollen reich und berühmt werden, doch nicht durch Werke, die sie mit kreativem Geist erschaffen, sondern durch die Vermarktung ihres eigenen Martyriums. Und damit sie auch viel haben, dass sich verkaufen lässt, müssen sie so grauenvoll wie möglich leiden. Sie beginnen zu hungern, im Dreck zu leben, sich selbst zu verstümmeln - und jeder will der sein, dem es am Schlimmsten ergeht.

Chuck Palahniuk demonstriert hier auf bewusst überzogene und schockierende Weise, was Menschen alles tun, um berühmt zu werden, und wie viel faszinierter die Leute von grauenvollen Nachrichten als von positiven Ereignissen sind. Nicht die Helden, die ein Verbrechen verhindert haben, bleiben in Erinnerung, sondern Opfer, die schrecklich leiden mussten, und die Täter, die ihnen dies angetan haben. Sondersendungen auf allen Fernsehkanälen gibt es nur nach verlustreichen Katastrophen, nicht wegen erfreulicher Entwicklungen. Sicherlich ist viel Wahres daran. Im deutschen Fernsehen werden ja durchaus ganz gerne mal Beerdigungen von Prominenten live übertragen, über schreckliche Schicksale wird zumeist wochenlang berichtet und Serienkiller erfreuen sich einer gewissen Faszination, vor allem in den USA. Nekrotainment könnte man dies nennen. Der Tod und das Leid als Quotengarant. Allerdings gibt es auch berechtigte Gegenargumente und allein schon die Tatsache, dass das, was sich die 17 Möchtegern-Autoren in Chuck Palahniuks Roman selbst und gegenseitig antun, auf die Leser erschreckend, abstoßend und verwerflich wirkt, beweist, dass die Menschheit sicher nicht komplett amoralisch ist.

Unterbrochen wird die Rahmenhandlung immer wieder durch die Geschichten, die sich die Eingeschlossenen erzählen. Diese Storys sind nicht minder grotesk als die Ereignisse in dem alten Theatergebäude und enthüllen uns nach und nach, wie die Personen zu ihren jeweiligen Pseudonymen gekommen sind. Da diese Spitznamen unter anderem "Graf Schandmaul", "Reverend Gottlos", "Killerkoch" und "Miss Rotz" lauten, kann man sich schon ein gewisses Bild machen – und wird doch meilenweit danebenliegen, denn diese kurzen Geschichten sind so bitterböse, zynisch, kreativ und schockierend, wie es nicht viele Autoren hinbekommen. In gleicher Weise wie die Rahmenhandlung zeigen auch die eingeschobenen Storys überzeichnete Eindrücke davon, was Menschen so alles tun, um ihr Verlangen zu befriedigen, seien es sexuelle Gelüste, finanzielle Träume oder das Streben nach Ruhm.

Fazit

"Die Kolonie" ist kein Roman für Zartbesaitete, sondern für Leute, die das Makabere mögen und dabei für hintergründige Kritik offen sind. Chuck Palahniuks Werk, für dessen Verwirklichung er sich vermutlich nicht mit lauter anderen Schriftstellern in einem alten Gebäude eingesperrt hat, denn sonst hätte er am Ende nicht mehr genug Finger zum Tippen gehabt, ist grotesk, provozierend, bissig, schockierend und böse.

Maret Hosemann - myFanbase
08.05.2010

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