The Football Factory
"Wir sind vielleicht Arschlöcher, aber wenigstens machen wir kein Geheimnis draus."
Inhalt
Tom ist Lagerarbeiter in London und ein bekennender Chelsea-Hooligan. Er und seine Mitstreiter nutzen jedes Spiel ihrer Mannschaft, um sich mit gegnerischen Hooligans zu prügeln und der Polizei ein Schnippchen zu schlagen. Für Tom gibt es nichts Wichtigeres als die Loyalität unter den Chelsea-Hooligans, auch wenn ihn diese Lebensart jederzeit umbringen könnte.
Kritik
Reduziert man den Fussballsport auf seine Grundtheorien, kommen simple Tatsachen dabei heraus: 22 Männer hetzen über eine Rasenfläche, um einen Ball zwischen zwei Pfosten zu knallen. Zum Fussball als Kulturphänomen und Milliardengeschäft gehört aber schon seit langem weit mehr als diese simple Basis. Prächtige Stadien, hunderte Fernsehkameras und tausende Fans, die einen Höllenlärm veranstalten, machen diesen Sport aus. Die Zuschauer projizieren ihre Hoffnungen und Träume auf ihre Mannschaft sowie ihren Frust und ihre Streitlust auf die gegnerischen Spieler mit deren Fans. Diese Rivalität kann jedoch mitunter außer Kontrolle geraten und weit über Spottgesänge und Pfeifkonzerte hinausgehen – und das von den Beteiligten absolut gewollt und geplant. Die Hooliganbewegung stellt die Schattenseite des Fussballs dar. Und wie der Fussballsport selbst hat sie ihren Ursprung in England.
John King hat selbst eine Vergangenheit als Hooligan und verarbeitet diese in seinem Roman "The Football Factory". Das Buch erschien in England bereits 1996, ist aber auch 2010 in seiner grundlegenden Thematik aktuell. Geschrieben ist der Roman größtenteils aus der Sicht des Ich-Erzählers Tom, der zu den Hooligans zählt, die es mit dem FC Chelsea halten. Seine Sprache ist grob und aggressiv. Er benutzt viele rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Bezeichnungen und drückt sich grammatikalisch nicht unbedingt sauber aus.
Inhaltlich geschieht nicht viel. Tom beschreibt sein Leben als Hooligan und nimmt uns mit zu mehreren Heim – und Auswärtsspielen, bei denen sich sein Mob mit anderen Hooligangruppen prügelt oder es mit der Polizei zu tun bekommt. Nebenher wird viel getrunken und verbal ausgeteilt. Auch die eine oder andere Sexeskapade wird beschrieben. Tom räumt mit einigen Vorstellungen, welche die Öffentlichkeit von Hooligans hat, auf. So liefern sich die richtigen Hooliganhorden keine Schlägereien im Stadion selbst, wo schließlich mittlerweile überall Kameras sind, sondern suchen den Kampf vor und nach den Spielen in irgendwelchen Gassen und Nebenstraßen. Auch haben es die Mobs nur auf andere Hooligans abgesehen, nicht auf die friedlichen Zuschauer, die höchstens verbal ein bisschen provoziert werden. Tom stellt die Hooligans als eine eigene Minderheit innerhalb des englischen Gesellschaftssystems dar, die sich nicht in eine Schublade pressen lassen will, die den Kick sucht, die das Establishment ablehnt und die vor dem Tod richtig gelebt haben will.
In London gibt es mehrere Fussballvereine, die jeweils ein bestimmtes Stadtgebiet der englischen Hauptstadt repräsentieren. Tom und seine Kameraden assoziieren die verschiedenen Vereine und ihre Anhänger mit gewissen Eigenschaften, Hautfarben, Religionen und Gesellschaftsschichten. So ist jede Schlägerei zwischen den Mobs auch immer ein Klassenkampf.
"The Football Factory" gibt zweifellos bemerkenswerte Einblicke in die Londoner Hooligan-Szene, doch objektiv ist der Roman nicht wirklich. Die Hooligans werden zwar nicht durchweg positiv gezeichnet, doch es wird im Roman gerne betont, dass die Medien die Hooligans völlig falsch darstellen und dass die Mobs wohl die echtesten Fans sind, da sie zu jedem Spiel gehen und selbst bei schlimmsten Wetterverhältnissen im Stadion sitzen und ihre Mannschaft anfeuern. Die Polizei kommt des Weiteren ausgesprochen schlecht weg und wird im Grunde als ein eigener Mob beschrieben, der genauso gerne prügelt wie die Hooligans, nur dabei besser ausgerüstet ist und dafür bezahlt wird. Die Polizisten sind bis auf ganz wenige Ausnahmen brutal, hinterhältig, rassistisch und ungerecht.
Unterbrochen werden Toms Erzählungen immer wieder von Kapiteln, in denen andere Personen, die mit Tom eigentlich nichts zu tun haben, thematisiert werden. Hier soll wohl ein tieferer Einblick in die englische Gesellschaft gegeben werden, doch werden keine neuen Einsichten vermittelt, keine Gegenargumente geliefert und keine anderen Perspektiven aufgezeigt. Diese Zwischenkapitel füllen den Roman auf, aber sie ergänzen ihn nicht.
Letztlich wiederholt sich sehr Vieles in diesem Roman. Toms Sichtweise auf die englische Gesellschaft sowie seine Erklärungen, warum er ein stolzer Hooligan ist, werden mit nur wenigen Variationen immer wieder durchgegangen. Das ist durchaus konsequent und entspricht sicherlich der Realität, dass die meisten Hooligans nicht plötzlich zu Einsichten gelangen, die ihr Leben verändern, oder einschneidende Erlebnisse haben, die ihr Weltbild umkehren, dennoch ist das für den Leser etwas eintönig.
Fazit
"The Football Factory" bietet sicherlich nicht den objektivsten, spannendsten und abwechslungsreichsten Ausflug in die Londoner Hooligan-Szene, dennoch kann man die eine oder andere Erkenntnis aus dem Roman mitnehmen.
Maret Hosemann - myFanbase
13.05.2010
Diskussion zu diesem Buch
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 10.05.2010Verlag: Heyne Verlag
ISBN: 3453675851
Anzahl Seiten: 448
Genre: Roman
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