Bewertung
Klosterman, Chuck

Nachteulen

"Diese Stadt war wie eine burmesische Tigerfalle für apolitische Fremde, die uninteressante Jobs brauchten."

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Inhalt

Im Jahr 1983 leben weniger als 900 Menschen in dem Städtchen Owl, North Dakota. Einer von ihnen ist der 73-Jährige Horace, der sich regelmäßig mit seinen Rentnerfreunden trifft, um über Sport, Politik und die Mitmenschen zu diskutieren. Zur jüngeren Generation von Owl gehört der Teenager Mitch, der über das Leben, Mädchen, George Orwells Roman "1984" und seinen verhassten Footballcoach nachgrübelt, wenn er sich nicht gerade fragt, wie wohl ein Kampf zwischen den beiden berüchtigten Schulfreaks ausgehen würde. Neu in der Stadt ist die junge Lehrerin Julia, die sich, da hübsche Single-Frauen in Owl selten sind, größter Beliebtheit bei den Männern erfreut, aber selbst nur Interesse an dem unfreiwilligen Stadthelden Vance hat.

Kritik

Bei einem deutschen Titel wie "Nachteulen" weiß man auf Anhieb so gar nicht, was für eine Sorte Roman einen erwartet. Ein Thriller vielleicht? Oder eher eine Komödie? Möglicherweise ein Drama? Die Antwort lautet: nichts davon und von allem ein bisschen. Chuck Klosterman erzählt eine tragisch-komische Kleinstadtgeschichte, die von der Absurdität des Alltags handelt.

Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr, zwischen dem Spätsommer 1983 und dem Frühjahr 1984, und ist überwiegend aus der Sicht der drei Bewohner Horace, Mitch und Julia geschrieben. In diesem halben Jahr geschieht nicht sonderlich viel und doch wird dem Leser dabei der ganz normale Wahnsinn des Lebens gekonnt vor Augen geführt. Ein zentrales Motiv ist der Zufall, der das ganze Leben verändern und prägen kann, besonders in einer kleinen Stadt, in der jeder alles über den anderen weiß und kein noch so nichtiges Ereignis vergessen wird. Menschen werden so unfreiwillig zu Helden oder zu Opfern und bekommen Spitznamen, die sie ihr ganzes Leben behalten. Alles nur wegen eines zufälligen Augenblicks, der mit ihrer Persönlichkeit so gut wie nichts zu tun hat.

Die Protagonisten des Romans diskutieren immer wieder über Musik, Politik, Sport und Literatur. Sie beschäftigen sich mit Ideen und Fragen, die für andere Menschen nicht von Belang sind, für sie aber schon. Es geht in "Nachteulen" nicht um Menschen, die die Welt verändern oder verstehen – sie leben nur in ihr, als Teil eines Mikrokosmos namens Owl, North Dakota. So bietet der Roman keine temporeiche Handlung, sondern in erster Linie amüsante Anekdoten, witzige Dialoge und viele Kuriositäten, die voller Wahrheit stecken.

So wenig in den sechs Monaten auch geschieht, steht am Ende des Romans eine mittelschwere Katastrophe, die bereits zu Beginn kurz angedeutet wird. So ist das Leben: du führst deinen Alltag, redest, denkst, fühlst, bist einfach ein Mensch, und dann passiert etwas völlig Unvorhergesehenes.

Fazit

"Nachteulen" ist ein unterhaltsamer Roman über das Leben. Nicht mehr und nicht weniger.

Maret Hosemann - myFanbase
18.06.2010

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