Bewertung
Browne, S. G.

Anonyme Untote

Eine Zombie-Liebesgeschichte.

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Inhalt

Der 34-Jährige Familienvater Andy kommt bei einem Autounfall ums Leben - doch im Gegensatz zu seiner Frau Rachel bleibt er nicht tot. Bei Andy hat das unerklärliche Phänomen der spontanen Wiederauferstehung eingesetzt, so dass er nun ein Dasein als Zombie fristet. Die offizielle Gruppe der "Anonymen Untoten" soll ihm und anderen Wiederauferstandenen helfen, mit dem Schicksal fertig zu werden, doch schlägt ihnen von Seiten der Menschen nur Hass und Angst entgegen. Erst als Andy den selbstbewussten Zombie Ray kennenlernt und sich in die wiederauferstandene Selbstmörderin Rita verliebt, scheint sich das Blatt zu wenden.

Kritik

Auf der langen Liste der übersinnlichen Kreaturen, die das Horror - und Fantasygenre zu bieten hat, stehen die Zombies nicht nur aus alphabetischen Gegebenheiten ziemlich weit unten. Im Gegensatz zu vielen anderen Geschöpfen - man denke an Vampire, Dämonen oder Werwölfe - haftet Zombies nicht das charismatische, faszinierende und attraktive Etwas an. Im Gegenteil. Unter einem Zombie verstehen die meisten Film - und Buchautoren (und damit auch deren Kundschaft) ein hässliches, faulendes, umherwandelndes Wesen mit den geistigen Fähigkeiten einer Kohlrübe. Die Rollen der Helden und Sympathieträger - oder zumindest der Lieblingsbösewichte - sind in der Regel nur den Wesen vorbehalten, die nicht sterben, statt den Wesen, die schon gestorben sind. Der ehemalige Hollywoodautor S. G. Browne hat diese Lücke erkannt und füllt sie mit seinem Roman "Anonyme Untote" intelligent und unterhaltsam aus.

Es ist dabei nicht so, dass Browne die Zombies plötzlich in Glanz und Gloria erstrahlen lässt, doch er gibt ihnen Persönlichkeit, Profil und Sympathiewerte. In seinem Roman entstehen die Untoten durch eine unerklärliche Anomalie, die bewirkt, dass ein geringer Prozentsatz an Verstorbenen, völlig ungeachtet der Todesumstände, dem Grab entsteigt. Die Auferstandenen befinden sich körperlich in dem Zustand, in welchem sie gestorben sind, so dass sie natürlich nicht den schönsten Anblick bieten. Vor allem Unfallopfer, wie die Hauptfigur Andy, sind mit ihren abgerissenen oder zerquetschten Gliedmaßen, ihren entstellten Gesichtern und ihren klaffenden Wunden nicht mehr die hübschesten Erdenbewohner. Schmerzen spüren die Zombies zwar keine, doch bequem ist so ein Dasein mit lädiertem Körper nicht, wie an Andy sehr gut deutlich wird. Geistig verändern sich die Wiederauferstandenen nämlich nicht und erleben diese neue Existenz in vollem Bewusstsein und mit klaren Erinnerungen an ihr früheres Leben. Sie können Gefühle zwar nicht mehr körperlich wahrnehmen, spüren also nicht die Wirkung von Adrenalin und anderen Hormonen, sind aber immer noch zu Empfindungen fähig.

Dieses Konzept von ehemaligen Menschen, die plötzlich unter makaberen Qualen zu Kreaturen außerhalb der Gesellschaft werden und eine kleine Selbsthilfegruppe bilden, kennt man bereits aus Catherine Jinks Roman "Blutsbande", jedoch mit Vampiren, deren Existenz der Öffentlichkeit überdies nicht bekannt ist. Das "Zombieproblem" in Brownes Roman ist der Menschheit dagegen vertraut, nur umgehen kann sie damit nicht. Die Zombies werden gehasst und gefürchtet, sie besitzen keinerlei Rechte, dürfen nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und sehen sich ständigen, oftmals sehr brutalen Schikanen ausgesetzt, die ihnen zwar körperlich nicht weh tun, sie aber doch quälen. Dass wir es hier mit einer überspitzten Metapher auf unterdrückte und diskriminierte Minderheiten zu tun haben, muss kaum erwähnt werden.

Browne gelingt es, die Zombies zu komischen, zu tragischen und zu beängstigenden Figuren gleichzeitig zu machen. Andys Erlebnisse bringen den Leser zum Lachen und zum Mitleiden. Seine Geschichte schafft es, dass wir die Untoten über weite Strecken sehr viel lieber mögen als die Menschen, wir aber auch begreifen, was die Menschen an den Zombies so hassen und fürchten. Wir lernen die Zombies von einer neuen Seite kennen, ohne dass die altbekannten Vorstellungen komplett verneint werden. Der Roman steckt voller Anspielungen auf die berühmten Zombiefilme von George A. Romero und andere Horrorwerke.

Fazit

Mit "Anonyme Untote" ist S.G. Browne ein durchweg gelungener Zombieroman geglückt, der frischen Wind in das Genre bringt, aber auch der Tradition auf ironische, freche Weise Tribut zollt.

Maret Hosemann - myFanbase
21.07.2010

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