Bewertung
Stiefvater, Maggie

Nach dem Sommer

Zwei Liebende, zwei verschiedene Welten.

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Inhalt

Jeden Winter hält Grace Ausschau nach dem weißen Wolf mit den auffallend gelben Augen - ihrem Wolf. Sie war noch ein kleines Mädchen, als er sie in den Wäldern von Mercy Falls vor dem eigenen Rudel beschützte und ihr somit das Leben rettete. Seit jenem Tag nimmt das als gefährlich geltende Geschöpf einen wichtigen Platz in Graces Herz und Leben ein. Sechs Jahre später liegt plötzlich ein Junge angeschossen auf der Veranda ihres Elternhauses und Grace erkennt in seinen Augen ihren Wolf wieder. Sein Name ist Sam. Ohne großartig darüber nachzudenken, rettet sie Sam das Leben und nimmt ihn bei sich auf.

Für beide ist es Liebe auf den ersten Blick und so verbringen sie ihren ersten gemeinsamen Spätsommer zusammen ... und ihren vielleicht letzten. Nach dem Sommer wird die klirrende Kälte Sam zurück in den Wolf verwandeln und dieses Mal für immer, denn dies ist sein womöglich letztes Jahr als Mensch.

Kritik

Nach den Erfolgsromanen "Lamento. Im Bann der Feenkönigin" und "Ballade. Der Tanz der Feen" beweist die talentierte Schriftstellerin Maggie Stiefvater im ersten Teil ihrer Wolfs-Trilogie einmal mehr, dass sie das Schreibhandwerk beherrscht und junge Leserinnen mit ihrer fantasievollen, wie bildreichen Sprache in ihren Bann zu ziehen vermag. Dabei haucht sie besonders in "Nach dem Sommer" der winterlichen Kulisse von Mercy Falls sowie Graces und Sams Sommerwald eindrucksvoll Leben ein, so dass man stets das Gefühl bekommt, mittendrin zu sein – ein sprachlicher Hochgenuss.

Einer Sache sollte man sich bei "Nach dem Sommer" jedoch bewusst sein: es ist kein typischer Fantasy-Roman. Hier werden leisere Töne angeschlagen, die mit viel Gefühl und Romanik eine bezaubernde Liebesgeschichte erzählen, untermalt mit leicht phantastischen Elementen (wobei die kälte empfindlichen Wolfsmenschen das einzig mystische sind). Wer also einen spannungsvollen und temporeichen Plot erwartet, mit einer magischen und geheimnisvollen Welt, ist mit dieser Lektüre nicht gut bedient. Denn selbst das Ende wartet mit einer ziemlich "gewöhnlichen" bzw. wissenschaftlichen Lösung auf. Romantik pur, von Spannung aber so gut wie keine Spur.

Das macht sich bereits bei der Wahl der Perspektiven bemerkbar. Die wechselnden Gedankengänge (Ich-Perspektive) von Menschenmädchen Grace und dem Wolfsjungen Sam lassen den Leser zwar die Charaktere besser verstehen, entziehen der Geschichte aber gleichzeitig das Geheimnisvolle. Hier stellt sich nur noch die Frage, wie viel Zeit den beiden bleibt, bis Sam durch den nahenden Winter endgültig zum Wolf mutiert und ob es nicht vielleicht doch einen Weg gibt, damit die Liebenden für immer zusammen sein können. Als Problem entpuppt sich dabei ein kürzlich gebissener Bewohner von Mercy Falls, der seine neue Wolfsnatur nicht in den Griff bekommt und infolgedessen bald eine Bedrohung für Sam und Grace darstellt. Somit wird zwischenzeitlich ein leichter Spannungsbogen eingeführt, der mich persönlich aber nicht wirklich mitreißen konnte, denn hier stehen die charakterlichen Eigenschaften der Menschen/Wolfswesen im Mittelpunkt und wie ihre guten oder schlechten Taten daraus resultieren. Das ist interessant, (für mich) aber nicht spannend genug.

Bleibt als Kernstück also die Liebesgeschichte zwischen Grace und Sam, die für meinen Geschmack zwar ein bisschen zu schnell eingeführt wird, aber dennoch überzeugen kann. Die beiden kennen sich kaum, sehen ihre Beziehung aber sofort als selbstverständlich an, so dass die lange Kennenlernphase vor dem ersten Kuss entfällt und eine tiefe Vertrautheit einkehrt. Das kommt zwar sehr überraschend, erscheint aber anhand der Tatsache nachvollziehbar, dass beide sich bereits seit sechs Jahren nach einander sehnen und nun die verbleibende Zeit nutzen wollen, um einander nahe zu sein. Dabei erweist sich Grace als der härtere Brocken von beiden und Sam als sensibles Pflänzchen. Hier prallen zwei Welten aufeinander, die sich nicht nur durch das Wolfs-/Menschproblem bemerkbar machen. Selbständiges und von den Workaholic-Eltern stets allein gelassenes Mädchen mit einer etwas rauen Schale trifft auf Kindheitsgeschädigten Jungen, mit einer traurigen Vergangenheit und musikalischer sowie poetischen Ader – eine mal etwas erfrischend andere Kombination.

Wer von Grace und Sam nicht genug bekommen kann, darf sich freuen. Ihre Geschichte ist noch längst nicht zu Ende erzählt und geht mit "Linger" (engl. Originaltitel) in die nächste, aber noch nicht letzte Runde. Mehr über Maggie Stiefvaters Wolfsmärchen könnt ihr auf der Webseite des deutschen Verlags nachlesen.

Fazit

"Nach dem Sommer" ist eine bezaubernde Liebesgeschichte über zwei junge Menschen, die in unterschiedlichen Welten leben und nicht loslassen können – eindringlich und bildreich erzählt. Dennoch fehlt es hier an der nötigen Spannung. Für hoffnungslose Romantiker sehr empfehlenswert, für Fantasyliebhaber sicher eine leichte Enttäuschung. Hier entscheidet der persönliche Geschmack, ob Hop oder Top.

Doreen B. - myFanbase
30.09.2010

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