Bewertung
Hammer, Agnes

Dorfbeben

"Ich höre einfach zu gut."

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Inhalt

Der neunzehnjährige Mattes hat von Geburt an ein unnatürlich ausgeprägtes Gehör. Seit er als Kind unter der Last des Stadtlärms zusammengebrochen ist, lebt er bei seiner Großmutter in dem Dorf Auroth, das sich als friedlich und beschaulich bezeichnen lässt. Dies ändert sich allerdings, als Auroths ehemaliger Oberbürgermeister auf einer Kaffeefahrt brutal ermordet wird. Lena, Mattes Tante, die nur wenige Jahre älter ist als er, will den Fall unbedingt aufklären, nachdem sie gerade ihre Stelle als forensische Linguistin verloren hat. Mattes hilft ihr dabei, doch die beiden Hobbydetektive stoßen in ihrem Dorf auf eine Mauer des Schweigens und müssen erkennen, dass dunkle Schatten der Vergangenheit über Auroth liegen. Dann erhalten Mattes und Lena erste Morddrohungen.

Kritik

Mit "Dorfbeben" hat die Autorin Agnes Hammer einen gemächlichen Dorfkrimi geschaffen, der als solcher durchaus realistisch ist. Die beiden Hauptprotagonsten Mattes und Lena mutieren nicht plötzlich zu Sherlock Holmes' legitime Nachfolger, wie es so oft in Büchern und Filmen der Fall ist, wenn eigentliche Laien einen Mordfall aufklären, sondern haben nachvollziehbare Schwierigkeiten, an Informationen zu kommen und diese dann auch richtig einzuordnen. Mattes und Lena müssen überdies mit ihren jeweiligen Rollen kämpfen, die ihnen die Dorfgemeinschaft zugesteht. Während Lena als zu offenherzig und besserwisserisch gilt, wird Mattes wegen seines Ohrenleidens von vielen Einwohnern als behindert wahrgenommen.

Mattes' krankhaft gutes Gehör, das ihn auch entfernte Geräusche und Missklänge (z.B. bei Gesängen) wahrnehmen lässt, die andere Menschen kaum oder gar nicht bemerken, ist ein interessantes Thema, das authentisch und unaufdringlich behandelt wird. Agnes Hammer gelingt es, Mattes' spezielles Problem immer wieder in die Handlung einzustreuen, ohne dabei zu dick aufzutragen und es zum Überthema zu machen.

Ein weiterer, durchaus faszinierender Aspekt, der eine Rolle spielt, ist das Verfallsdatum von Schuld. Wie schwer wiegt eine Sünde noch nach sechs Jahrzehnten? Müssen die Nachkommen wirklich die Schuld ihres Vorfahrens tragen? Ab wann wird das Opfer zum Täter, wenn es die Schuldgefühle und die Scham anderer ausnutzt? Auch dieser Themenkomplex wird eher zurückhaltend behandelt, was einerseits angenehm für all jene ist, die eher entspannt einen Krimi lesen wollen, wobei andererseits aber auch viel Potential ungenutzt bleibt und auf die spannenden, kontroversen Fragen nur eingeschränkt eingegangen wird.

Letztlich funktioniert "Dorfbeben" tatsächlich vor allem als ein ruhiger Krimi, der den Leser nur geringe, wohldosierte Mengen an Emotionen durchleben lässt. Vieles wird nur oberflächlich angeschnitten und stößt nicht bis zum Kern vor, wie zum Beispiel Mattes enge Freundschaft zu dem Dorfpfarrer, die einige falsche Interpretationen bei den Leuten weckt, oder Lenas Rivalität mit dem ermittelnden Kommissar. Für Leser, die es hochspannend, aufwühlend und ausführlich mögen, ist "Dorfbeben" wahrscheinlich nur ein schneller Happen für Zwischendurch, der den Hunger nicht stillt, aber als entspannte, flüssig zu lesende Krimi-Lektüre ist der Roman von Agnes Hammer durchaus empfehlenswert.

Fazit

"Dorfbeben" ist kein intensiver Hochspannungsroman, aber dafür größtenteils glaubwürdig und kurzweilig.

Maret Hosemann - myFanbase
20.10.2010

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