Bewertung
Osorio, Elsa

Mein Name ist Luz

Chile 1976, es herrscht das Militär. Miriam wünscht sich sehnlichst ein Baby, ist aber seit einer Abtreibung Zeugungsunfähig. Ihr Mann Sergeant Pitiotti arbeitet in einem Gefängnis, ein Baby von einer Gefangenen soll Miriams Wunsch erfüllen...

Inhalt

Sergeant Pitiotti wird von seinen Kollegen "El Bestia" genannt, weil keiner wie er es so gut versteht den Gefangenen Informationen zu entlocken. Aus seiner Liebe zu Miriam und ihrem Kinderwunsch hat er die Gefangene Liliana monatelang vor Vergewaltigungen, Folter und Elektroschocks verschont. Aber bei der Entbindung passiert etwas unerwartetes.

Die Tochter seines Vorgesetzten verliert ihr Kind und soll das Kind der Gefangenen bekommen. Bis zur Genesung der neuen Mutter kommen das Kind und die leibliche Mutter zu El Bestia und Miriam. Diese ist zutiefst enttäuscht, weil sie das Baby nicht bekommen soll und befreundet sich mit Liliana. Von ihr hört sie zum ersten Mal, was der Beruf von El Bestia ist, was es heißt monatelang mit verbundenen Augen zu leben und die Schreie der Mitinhaftierten zu hören. Durch den Kontakt zu Liliana begreift Miriam, was für ein Unrecht es ist, ein Kind zu rauben. Sie versucht mit Liliana und dem Kind zu fliehen, der Versuch missglückt, Liliana wird getötet.

Miriam flieht vor El Bestia, das Kind wächst bei seinen neuen Eltern auf. Jahre später versucht Miriam das Baby wieder zu finden, sie hatte Liliana kurz vor ihrem Tod versprochen, der Kleinen die Wahrheit über seine Eltern zu erzählen. Miriam lebt in den USA, die Furcht vor der Rache von El Bestia plagt sie auch nach dem Ende der chilenischen Militärdiktatur. Lilianas Tochter ist mittlerweile aufgewachsen und heißt Luz. Durch ihren Freund hört sie als 18 jährige zum ersten Mal vom Terror der Militärdiktatur und der Position ihres Großvaters, dem Vorgesetzten El Bestias. Ihr Vater wurde als sie 7 Jahre alt war ermordet. Er hatte vor Luz über ihre Herkunft aufzuklären, der Großvater konnte das verhindern. Mit ihrer Mutter versteht sie sich zunehmend schlechter.

Durch ihren Freund und der politischen Entwicklung Chiles beginnt sie sich verstärkt für die Diktatur in Chile zu interessieren. Es entwickelt sich in ihr ein schrecklicher und eigentlich absurder Verdacht. Durch Nachforschungen und langem Suchen bestätigt sich schließlich ihre Vermutung: sie ist das Kind von Ermordeten. Die Suche führt sie bis zu ihrem leiblichen Vater, dem sie zu Beginn des Buches in Spanien gegenüber sitzt und ihre Geschichte erzählt.

Kritik

Osorio hat einen unheimlich spannenden Roman geschrieben, dessen tragische, aber leider realistische Geschichte den Leser fesselt. Die eigentliche Geschichte wird von einer Rahmenhandlung umspannt. Diese ist das erste Gespräch zwischen Luz und ihrem leiblichen Vater, den sie nach langem Suchen in Spanien gefunden hat. Sie erzählt ihm im Grunde das alles, auch wenn innerhalb der Binnenhandlung immer wieder ein Wechsel der Erzählperspektive vollzogen wird.

Die Binnenhandlung wird öfters von Zwischenszenen des Gesprächs von Luz und ihrem Vater unterbrochen, so das der Charakter einer persönlichen Erzählung erhalten wird. Tatsächlich beschreibt der Roman jedoch 25 Jahre chilenischer und familiärer Geschichte. Der Leser sieht Luz aufwachsen, die jahrelangen Zweifel ihres Vaters, die Unwissenheit der Mutter und die Kaltblütigkeit des Großvaters. Aber er erfährt auch wie es Miriam in all den Jahren ergangen ist, fernab von Chile und dennoch immer den Wunsch mit sich tragend, Luz die Wahrheit zu erzählen. Zuletzt beschreibt das Buch auch auf eine unterhaltsame und dennoch informative Art 25 Jahre chilenischer Geschichte.

Die intensivsten Szenen sind hier eindeutig die frühen Jahre der Diktatur. Der Leser erfährt, wie der Arbeitsalltag von El Bestia aussieht, ohne das Elsa Osorio das hohe Niveau der Erzählung aufgibt. Selbst die grausamsten oder schönsten Momente wirken immer sehr real. Kaum eine Spur von Kitsch oder Voyeurismus. Im Gegenteil, Osorio stellt ein chilenisches Schicksal dar, wie es durchaus in der Realität zuhauf existierte. Dieses ist ein weiterer Aspekt des intensiven Leseempfindens, das der Leser hat. Er weiß permanent beim Lesen, dass dies alles einen starken Realitätsbezug hat. Hier steht Osorio z.B. im Gegensatz zu Isabel Allende, die in ihrem Roman "Das Geisterhaus" teilweise phantasievolle Elemente integriert hat.

Es muss bei allem Lob jedoch gesagt werden, dass Osorio eine leichte Vorliebe für Liebesszenen zu haben scheint. Diese tauchen im Buch häufig auf und irgendwann stellen sich beim Leser gewisse Ermüdungserscheinungen ein, weil schon wieder eine Liebeszene auftaucht. Zur Verteidigung sollte aber gesagt werden, dass das Buch weit davon entfernt ist, eine Schnulze zu sein. Vielmehr macht es auf spannende und unterhaltende, aber aufrüttelnde Art und Weise auf einen schrecklichen Part der chilenischen Geschichte aufmerksam, desen Folgen noch bis heute nachwirken.

Gandalf - myFanbase
16.12.2005

Diskussion zu diesem Buch