Bewertung
Cortés, Enrique

Der 26. Stock

Wenn die Vernunft nicht weiterführt, bleibt nur das Absurde.

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Inhalt

Seit einiger Zeit arbeitet die junge Psychologin Isabel für einen der größten Konzerne der Welt, der seinen Hauptsitz in einem riesigen Büroturm in Madrid hat. Eines Tages bemerkt Isabel jedoch beunruhigende Entwicklungen: ihr Vorgesetzter Alberto verschwindet unter mysteriösen Umständen, immer mehr Mitarbeiter werden aus heiterem Himmel befördert und ständig werden neue Leute eingestellt. Isabel hofft auf Antworten von Albertos Sekretärin und heimlichen Geliebten Vera, doch diese warnt Isabel nur, schnellstmöglich abzuhauen. Halt findet Isabel bei ihrem Kollegen Carlos, in den sie sich langsam zu verlieben beginnt. Doch dann wird Carlos brutal zusammengeschlagen und fällt ins Koma. Wenig später bekommt Isabel ein Päckchen, das Carlos vor dem Zwischenfall für sie aufgegeben hat und das die Namen von Mitarbeitern enthält, die allesamt verschwunden sind. Isabel begreift, dass die Antworten auf sämtliche Fragen in den oberen Stockwerken des Turms liegen, in die sie sich trotz aller Warnungen wagt.

Kritik

Nachdem ich bereits mehrere gute spanische Horrorfilme gesehen habe, erschien es mir einfach an der Zeit, auch einmal einen spanischen Psychothriller zu lesen. Die Wahl fiel schließlich auf "Der 26. Stock" von Enrique Cortés, was sich alles in allem eher als Fehlgriff erwiesen hat.

Der mit über 600 Seiten recht umfangreiche Roman lässt sich zunächst nicht eindeutig in eine Kategorie einordnen. Der Haupthandlungsort ist ein gewaltiger Büroturm mitten in Madrid, in dem eine große Firma angesiedelt ist, deren Name ebenso wenig enthüllt wird wie ihr eigentlicher Sinn und Zweck. Sie scheint sich in allen möglichen Produktionszweigen zu betätigen, aber genau so gut könnte sie auch irgendein Experiment sein, eine geheime Staatsbehörde, oder gar eine Sekte. So schwer greifbar wie die Firma ist daher auch zunächst die Handlung, die sich in verschiedene Richtungen entwickeln könnte. Nach einer Weile offenbaren sich jedoch immer mehr Mystery-Elemente, die mit der Zeit ziemlich eigenwillige Züge annehmen. Der ausgedehnte Showdown ist dann ein Festival der abstrusen Ideen und bizarren Bilder mit einem eher unausgereiften Ende.

Im Prinzip ist die Grundidee des Romans gar nicht mal so schlecht, doch die Umsetzung kann einfach nicht überzeugen. Es scheint fast, als habe Enrique Cortés ab einem gewissen Punkt den Faden verloren und sich nur noch auf diffuse Beschreibungen verlassen. Der Leser sieht sich daher Szenarien gegenüber, denen es stark an Logik und Durchschaubarkeit mangelt. Plötzlich werden irgendwelche magischen Gegenstände aus der Hosentasche gezogen, Personen passiert etwas, das ihnen dann doch nicht passiert, Schuld und Unschuld werden komplett durcheinander geworfen, bildlich kaum vorstellbare Kreaturen ziehen durch die Gegend, und dann ist am Ende alles irgendwie wieder gut ist, ohne dass man weiß, wieso eigentlich.

Ein Schwachpunkt sind auch die Perspektivwechsel. Über weite Strecken wird die Handlung aus der Sicht von Isabel erzählt. Dass es zwischendrin auch immer wieder Kapitel gibt, die uns die Sicht anderer Charaktere zeigen, ist anfangs noch ganz passend, doch irgendwann verlässt der Roman Isabels Perspektive für einen längeren Zeitraum und wir erleben sie nur noch aus der Sicht anderer Figuren. Dadurch wird sie dem Leser plötzlich wieder fremd. Isabel wirkt nun mehr wie ein Überbleibsel der vorangegangenen Ereignisse und nicht wie eine tragende Identifikationsfigur. Wir kennen ihre Situation, aber wir sind nicht mehr wirklich drin.

Weitere Minuspunkte gibt es für die deutsche Erstausgabe, die zahlreiche Mängel aufweist, was natürlich nicht die Schuld des spanischen Autors Enrique Cortés ist. Auf mehreren Seiten finden sich Rechtschreib – und Grammatikfehler, wie zum Beispiel Sätze, in denen Wörter fehlen, und Wörter, in denen Buchstaben fehlen. Ich habe nicht mitgezählt, wie viele Fehler es genau sind, aber es fällt schon negativ auf. Überdies ist der Klappentext recht unglücklich gewählt, denn er streift zwar den Rahmen der Handlung, trifft aber nicht den Kern und weckt somit falsche Erwartungen. Es bleibt zu hoffen, dass bei der zweiten Auflage zumindest die Rechtschreibung einwandfrei ist.

Fazit

Es passt zu wenig zusammen. Die Erzählstruktur des Romans weist Schwächen auf und die Handlung entwickelt sich zu abstrus.

Maret Hosemann - myFanbase
21.03.2011

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