Bewertung
Stewner, Tanja

Das Lied der Träumerin

"Ich will nicht länger eine schlafende Träumerin sein. Ich will träumen und das heißt leben ..."

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Inhalt

Als Janas Vater an Krebs stirbt, wird ihr wieder einmal bewusst, dass sie keine Anwältin werden will, den Wünschen ihrer Mutter zum Trotz. Eigentlich möchte sie viel lieber Sängerin werden. Spontan entscheidet sie sich, dass Abi zu schmeißen und in die alte Heimat ihres Vaters zu fliegen, um in London durchzustarten. Kein Zuckerschlecken, wie ihre Mutter es bereits prophezeite. Doch Jana, die sich fortan Angelia nennt, gibt nicht auf. In einer heruntergekommenen WG freundet sie sich mit den ungleichen Brüdern Josh und Jeremy an und beginnt voller Tatendrang an ihrer Gesangskariere zu basteln. Bald sieht sie sich nicht nur mit der Vergangenheit ihres Vaters konfrontiert, gleichzeitig muss sie auch feststellen, dass Traum und Realität zweierlei Maß sind. Enttäuschungen und tiefgreifende Erfahrungen verändern langsam ihr Leben und lassen Angelia beinahe an ihre seelischen Grenzen stoßen.

Kritik

Mal ganz ehrlich? Wer hat sich nicht schon einmal sinnbildlich vorgestellt, einfach die Sachen zu packen und in einen Flieger oder Zug zu steigen, um dem langweiligen Alltagstrott zu entkommen? Endlich ausbrechen und tun, was einem gefällt. Seine fast vergessenen Träume verwirklichen. Das kann ein Trip um die ganze Welt sein, ein Fallschirmsprung oder einfach der ersehnte Wunsch nach Selbstverwirklichung. Wo manch einer nur davon fantasiert, seine Wünsche und Sehnsüchte zu realisieren, lässt Tanya Stewner in ihrem neusten Werk zu Taten schreiten. Ohne Netz und doppelten Boden.

Eines sei gesagt: Dieses Buch der Gattung (Jugend-)Roman ist nicht ausschließlich für hoffnungslose Träumer, sondern besonders für Realisten geeignet. Wer glaubt, bei dieser Lektüre handelt es sich um einen typischen Happy-End-Schmöker der kitschigen Art - die Inhaltsangabe zumindest führte mich auf diese Fährte -, der täuscht sich gewaltig. Träumerei trifft auf Wirklichkeit. Entsprechend ist "Das Lied der Träumerin" keine seichte Unterhaltung für zwischendurch. Der Roman zeigt die Schattenseiten des Lebens und beschäftigt sich mit Themen wie Homosexualität, Depression sowie Suizidgedanken. Angelias Geschichte, in der Ich-Perspektive, wird auf eine ehrliche, poetische und zum Ende hin tragische Weise erzählt ... und verbreitet dennoch Hoffnung. Was sich zunächst als eine verträumte Popstar-Story präsentiert, offenbart sich bald als ein nachdenkliches Drama mit bewegenden Erkenntnissen.

Eigentlich wäre der Titel "Das Lied der Macherin" passender. Denn Hauptprotagonistin Jana/Angelia wird zwar von allen als eine (naive) Träumerin bezeichnet, was sie eingangs auch darstellt, aber im Grunde genommen ist sie eine mutige Optimistin. Sie träumt nicht nur, sondern wird aktiv. Sie weiß das Leben zu schätzen und erkennt die Schönheit der Dinge. Ob sie nun laut in der U-Bahn vor sich hin trällert, gut gelaunt durch die Wohnung tanzt oder entschieden ihr Abitur abbricht, weil sie endlich ihren Traum von der großen Gesangskarierre leben will. Manch einer möge es blauäugig nennen, ein anderer würde seinen Hut vor ihr ziehen. Natürlich reicht es da bei weitem nicht aus in eine fremde Stadt (in diesem Fall London) zu ziehen und laut zu rufen "Hier bin ich! Gebt mir einen Plattenvertrag". Folglich muss Angelina von ganz unten beginnen – ein Klischee. Aber zum Glück wird, anders als erwartet, die altbekannte Geschichte "vom Tellerwäscher zum Millionär" nicht zum x-ten Mal aufgewärmt, und das überraschte mich im positiven Sinne.

Tanya Stewner lässt interessante Charaktere mit unterschiedlichen Weltanschauungen aufeinander treffen und das macht ihre Geschichte zu etwas ganz wertvollem. Sie geht zu Herzen und öffnet die Augen für die kleinen, wundersamen Dinge des Lebens. Besonders die ungleichen Brüder Josh und Jeremy sind facettenreiche Protagonisten mit Hintergrund. Beide berühren anhand ihrer Vergangenheit und verändern Angelinas Leben für immer. Anfänglich wirken beide leicht stereotypisch, das legt sich aber im Verlauf der Handlung. Trotz einer leichten Antipathie, die ich anfangs für Jeremys gefühlskalten Charakter empfand, konnte ich seine Motivation zum Ende hin gut nachvollziehen. Wobei es harter Tobak ist und eine beklemmende Stimmung hinterlässt.

Einzig störend fand ich zuweilen Angelias stets überschwänglich positive Lebenseinstellung. Mitunter lässt es ihren Charakter wirklich ein wenig naiv erscheinen, was wiederum ihren bedeutenden Reifungsprozess unterstreicht. Dennoch gab es eine Szene, in der sie fast vergewaltigt wird und den Täter einfach davon kommen lässt. Das wird zwar begründet, war für mich persönlich aber ein No-Go.

Wer gerne stimmige Musik zu seiner neusten Lektüre hat, der muss hier nicht lange suchen. Es gibt einen Soundtrack, den man sich unter dem gleichnamigen Titel extra bei iTunes runterladen kann. Nebenbei kann man sich also von eingängigen Musiksongs von Stars wie Leona Lewis, Linkin Park oder Queen berieseln lassen. Songs, die Hauptprotagonistin Angelia selbst auf ihrem MP3-Player abspielen würde. Für Poeten gibt es ebenfalls etwas. Zu Anfang jeden Kapitels befinden sich schöne Zitat aus bekannten Songs (z. B. Seal, Robbie Williams) und von historischen Größen (z. B. Markus Aurelius, Mark Twain, Buddha). Was will man mehr?

Fazit

Eine kostbare Geschichte für Jung und Alt, die uns lehrt, wie wichtig es ist, einen Traum zu haben und die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen – gefühlvoll, tragisch und voller Poesie. Absolut empfehlenswert!

Doreen B. - myFanbase
16.05.2011

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