Bewertung
Wells, Dan

Du stirbst zuerst

Die gesichtslose Bedrohung.

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Inhalt

Der 20-Jährige Michael Shipman wird wegen akuter Schizophrenie in eine geschlossene Anstalt eingewiesen. Er fühlt sich von gesichtslosen Menschen verfolgt und hat panische Angst vor elektrischen und elektronischen Geräten, die ihm als Werkzeuge seiner Feinde erscheinen. Mit seinen Aussagen erregt Michael auch die Aufmerksamkeit des FBI, das nach dem Wellnesskiller fahndet, einem mysteriösen Serienmörder, der seinen Opfern das Gesicht zerstört. Weiß Michael etwas über den Mörder oder ist er gar selbst der Killer? Michael verliert mehr und mehr den Überblick darüber, was real und was wahnsinn ist.

Kritik

Dan Wells muss sich mit seinem neuen Roman "Du stirbst zuerst" unweigerlich an seine erfolgreiche John-Cleaver-Trilogie messen lassen, die ihm zwischen 2009 und 2011 den Durchbruch als Autor brachte. Auch mir haben die drei Romane über den soziopathischen Teenager John, angefangen mit "Ich bin kein Serienkiller", fortgesetzt mit "Mr. Monster" und abgeschlossen mit "Ich will dich nicht töten", richtig gut gefallen, so dass meine Erwartungen an "Du stirbst zuerst" entsprechend hoch, vielleicht zu hoch, waren.

Der Hauptprotagonist ist diesmal kein Teenager mit starken soziopathischen Tendenzen, sondern ein 20-Jähriger Schizophrenie-Patient, der sich von gesichtslosen Männern und Frauen verfolgt fühlt und glaubt, diese würden ihn über elektrische und elektronische Geräte, besonders Handys, Fernseher und Radiowecker, überwachen. Im Prinzip verkörpert Michael den klassischen Schizophrenen und man merkt beim Lesen, dass sich Dan Wells mit dieser Krankheit beschäftigt hat. Die Art, wie die Ärzte ihrem schwierigen Patienten Michael - und damit auch uns Lesern - die Schizophrenie mit all ihren Symptomen erklären, ist schon sehr überzeugend. So verständliche und zeitgemäße Eindrücke von dieser Krankheit habe ich bisher noch durch keinen Roman oder Film gewonnen, wenngleich ich mich natürlich auch nicht regelmäßig mit dieser Thematik beschäftige.

In vielen anderen entscheidenden Bereichen kann "Du stirbst zuerst" jedoch nicht mit der John-Cleaver-Trilogie mithalten. Michael ist als Charakter deutlich weniger faszinierend und mitreißend als John. Bei John war es interessant zu erleben, wie er gegen seine mörderischen Impulse angekämpft hat und wie sich seine Beziehungen zu anderen Personen, besonders zu seiner verhassten und für ihn doch so wichtigen Mutter, entwickelt haben. Gleichzeitig wusste man bei John wirklich nie, wie man die überraschenden Entwicklungen, von denen er uns berichtet, einordnen sollte, da immer ein gewisser Interpretationsspielraum blieb. Bei Michael ist der innere "Bin ich verrückt oder bin ich es nicht?"-Konflikt viel schematischer und lässt originelle Momente und schwarzen Humor vermissen. Michaels Gedankengänge drehen sich etwas im Kreis, was auch seine Handlungen durchschaubarer macht. Es gibt zwar die eine oder andere Überraschung, aber auch viele Enthüllungen, die vorhersehbar sind.

Man kann dem Roman "Du stirbst zuerst" nicht wirklich vorwerfen, langweilig oder schlecht geschrieben zu sein. Dan Wells ist ein toller Autor mit guten Ideen, aber er hat mit seiner Trilogie um John Cleaver die Messlatte sehr hoch gelegt und rutscht mit "Du stirbst zuerst" unter ihr hindurch.

Fazit

Für sich genommen ist "Du stirbst zuerst" ein ordentlich geschriebener Thriller mit einer gut ausgearbeiteten Thematik, aber im Vergleich zu "Ich bin kein Serienkiller", "Mr. Monster" und, etwas weniger, "Ich will dich nicht töten" lässt dieser Roman Einiges vermissen.

Maret Hosemann - myFanbase
04.01.2012

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