Bewertung
Browne, David

Goodbye 20th Century: Die Geschichte von Sonic Youth

"'Die einzige Möglichkeit, mehr Platten zu verkaufen, besteht darin, dass wir uns auflösen', sagte Moore [...]. "'Oder einer von uns stirbt', fügte er hinzu."

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Inhalt

Sonic – wer? Sonic Youth ist das Protobeispiel einer Band, die mehr als einmal am Durchbruch gekratzt, ihn aber nie wirklich erreicht hat, einer Band, die als der Wegbereiter für andere, bekanntere Gruppen gilt und deren Name der großen Masse trotzdem nicht geläufig ist.

Diese ausführlich recherchierte Biographie des Musikjournalisten David Browne umfasst beinahe die gesamte Karriere Sonic Youths, von den Anfängen im schäbigen New York zu Beginn der 1980er Jahre, über den versuchten Ausflug in die Promiwelt in den 90ern, den Crash des World Trade Centers, bis hin zum Älterwerden der Musiker. Aber die ganze Story Sonic Youths findet man nicht in dem Buch, denn trotz der über drei Jahrzehnte umfassenden Bandkarriere existiert die Gruppe nämlich immer noch.

"Goodbye 20th Century" ist benannt nach einem der neueren Alben. In dem Buch geht es um viel mehr als "nur" Sonic Youth. Es wird ein bestimmer Zeitgeist beschrieben und die newyorkinische Subkultur der 80er und 90er beleuchtet. Viele bekannte Gesichter finden sich in dieser Biographie: Keanu Reeves, ein großer Fan, Chloë Sevigny, die ihre Schauspielerkarrie in einem der Videos startete, Schriftstellergrößen wie William S. Burroughs und Musikerkollegen wie Neil Young, die Beastie Boys und Beck. Die wichtigste Rolle jedoch spielen wohl Kurt Cobain und Courtney Love. Dank einer Empehlung Sonic Youths wurden Nirvana von dem Majorlabel Geffen, das "Nevermind" vertrieb, überhaupt erst entdeckt und dem breiten Publikum bekannt gemacht.

Die Geschichte Sonic Youths ist also mehr als die einer Band. Es ist die Geschichte der New Yorker Musikszene und der rasanten Entwicklung des Popbusiness in den letzten Jahrzehnten.

Die Biographie beschreibt das Leben der Mitglieder von der Kindheit an und dann detaillierter ab der Gründung: die Probleme, einen Schlagzeuger zu finden, auf Tours irgendwo auf dem Boden schlafen zu müssen, die Ungewissheit, wie man das nächste Album finanzieren soll, bis hin zum Höhepunkt, der nie ein Höhepunkt wurde. Dank des Grungehypes formierte sich auch um die Avantgardeband Sonic Youth eine gewisse Fanbase, am Ende jedoch scheitert sie an der Exzentrik ihrer eigenen Musik. Schliesslich findet sich die Band damit ab, nie weltberühmt zu werden, und macht einfach ihr eigenes Ding, die Musik, die ihnen gefällt. Die zahlreichen Privat - wie Konzertphotos untermalen die Entwicklung visuell.

Kritik

"Goodbye 20th Century" ist, wie oben schon erwähnt, mehr als nur die Geschichte einer einzigen Band. Es ist eine richtige Chronik, die detailverliebt die Entstehung einer unkonventionellen Kultur schildert. Zumindest ein kleines bisschen Vorkenntnisse sollte der Leser allerdings haben, sonst wird er von der Fülle an Band - und Personennamen im Umfeld Sonic Youths geradezu erschlagen.

Es wird schön deutlich, wie die interne Dynamik der Band funktioniert. Anders als in den meisten Gruppen gibt es nämlich keinen Leader, die Entscheidungen werden demokratisch getroffen, die Musik gemeinsam gemacht - und das, obwohl zwei der Mitglieder im Laufe der Zeit heiraten und Kinder bekommen. Sonic Youth mit ihren oft nur notdürftig zusammengeflickten Gitarren sind und bleiben somit eine "down-to-earth"-Band, fern jeglicher Extravaganz und Allüren, die so viele andere in ihrer Branche besitzen.

Ein interessanter Aspekt ist der Kampf der Band mit sich selbst, als Angebote von mehreren Majorlabels vorliegen. Soll man unterschreiben und seine Underground-Credibility verlieren? Bedeutet die Plattenfirma zu wechseln eine Weiterentwicklung oder verkauft man sich lediglich selbst? Letztenendes entscheiden sich Sonic Youth für diesen Schritt und beweisen, dass die schmale Gratwanderung zwischen authentisch, aber arm, und sell-out zu bewerkstelligen ist.

Leider liegt der Schwerpunkt des Buches etwas zu sehr auf der Businessseite und erklärt zu wenig die Musik und die Lieder, um die es mehr gehen sollte. Zwar werden die Alben und Songs schon besprochen, oftmals jedoch nur aus der Perspektive des Fans. Genauere Erklärungen zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung gibt es auch, aber nicht genug und vor allem nicht tiefgehend genug. Auch eine Diskographie fehlt leider.

Dennoch ist die Geschichte der Band gut dargelegt. Diese Biographie ist nicht nur informativ für Sonic Youth-Fans (dafür wär der Markt vor allem hier in Deutschland vielleicht auch etwas zu klein), sondern für jeden, der sich für Rockmusik interessiert. Nach der Lektüre kann man sich getrost Experte für die Indieszene New Yorks nennen.

Der große Negativpunkt des Buches sind die sprachlichen Schnitzer, die deplatziert und abgehackt wirkenden Sätze, die den Lesefluss beeinträchtigen. Ich gehe indes stark davon aus, dass dies an der Übersetzung liegt, und empfehle somit jedem, der des Englischen halbwegs mächtig ist, die Originalversion zu lesen.

Fazit

Eine empfehlenswerte Biographie, die hier vor allem aufgrund der mangelhaften Übersetzung Abzüge erhält. Also: einfach im Original lesen und geniessen!

Isabella Caldart - myFanbase
29.03.2012

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