Bewertung
Hennen, Bernhard

Nebenan

"Ein Beatles-Fan in einem Märchenwald! Das hätte John Lennon gefallen!"

Inhalt

Till, Student der Altgermanistik in Köln, ist am Boden zerstört, als seine Magisterarbeit vom Prüfer gnadenlos zerissen wird. Solche Sorgen rücken jedoch in den Hintergrund, als Till und seine Freunde während eines keltischen Rituals versehentlich ein Tor nach Nebenan öffnen. Nebenan ist eine raue Märchenwelt, in der die Gestalten aus berühmten Sagen und Legenden tatsächlich existieren, nur dass die meisten von ihnen sehr viel diabolischer sind, als es uns die Gebrüder Grimm, Walt Disney und Co. weiß machen wollten. Während der mächtige Erlkönig, der ehemals menschliche Graf Cagliostros und der Werwolf Baldur durch das Tor in unsere Welt gelangen und dort für jede Menge Chaos sorgen, müssen Till und seine Freunde nach Nebenan reisen, um ihren Fehler zu bereinigen.

Kritik

Es gilt folgende Warnung zu beachten: Hexen, Drachen, Trolle und Zwerge wohnen gleich nebenan! Bevor mich meine Nachbarn jetzt wegen übler Nachrede verklagen: gemeint ist das kursiv geschriebene Nebenan, eine Welt, in der sagenhafte Gestalten aus Märchen, Gedichten und Spukgeschichten ausgesprochen real sind. Die meisten dieser Gestalten tragen aus gutem Grund den Beinamen "die Dunklen", denn sie haben es faustdick hinter den Ohren. Damit die Dunklen bleiben, wo sie sind, werden die Tore zwischen unserer Welt und Nebenan von den Heinzelmännchen bewacht. Diese wachsen zwar nicht mehr als dreißig Zentimeter, sind aber technisch sehr versiert. Ihre Erfolgssträhne reißt, als der Student Till und seine Freunde versehentlich ein Tor nach Nebenan öffnen, durch das drei Dunkle schlüpfen können.

Bernhard Hennen lässt in seinem Roman das Deutschland des gerade begonnenen 21. Jahrhunderts (die Geschichte spielt im Jahr 2000) auf die Welt der Märchen und Mythen prallen. Das Ergebnis ist eine höchst amüsante, originelle Handlung mit pfiffigen Ideen. Viele Einfälle, die der Autor einbringt, offenbaren eine Menge Witz und Cleverness. So erfahren wir endlich, warum die Schweizergarde des Vatikans immer noch so herumläuft wie vor 500 Jahren, was Heinzelmänner von Heinzelfrauen unterscheidet, welchen Charakter Werwölfe wirklich haben, warum beim Essen niemand neben der Schneekönigin sitzen will und wie emanzipiert böse Hexen sind.

Der menschliche Hauptcharakter Till und seine Freunde widmen sich in ihrer Freizeit intensiv dem Mittelalter und keltischen Traditionen. Sie treten auf Mittelaltermärkten als Schwertkämpfer auf und spielen heidnische Zeremonien nach. Im Nebenan wird für sie aus dem Spass nun ernst und all das Wissen und Können, dass sie im normalen Leben eher zu Exzentrikern macht, ist der Schlüssel zur Rettung der ahnungslosen Menschheit.

Während sich Till und seine Mitstreiter Nebenan mit Drachen und anderen Ungeheuern herumschlagen, sind auch die Taten der drei Dunklen, die es nach Köln geschafft haben, höchst interessant, amüsant und gespickt mit gesellschaftskritischen Aspekten. Der Erlkönig, leidgeprüften deutschen Schülern aus dem gleichnamigen Goethe-Gedicht wohlbekannt, kommt zu dem Schluss, dass das 21. Jahrhundert zu dreckig, laut und verdorben ist. Er beginnt, die Umweltzerstörung zu bekämpfen, allerdings mit ziemlich drastischen, übernatürlichen Mitteln, die eine neue Form des Ökoterrorismus darstellen. Er ist der Böse und doch sind seine grundsätzlichen Gedankengänge gar nicht so verkehrt. Der Werwolf Baldur infiziert derweil einen arroganten Zahnarzt und macht ihn ungewollt zu einem Helden des Tierschutzes. Unterdessen liefert sich der durchaus sympathische Graf Cagliostros einen Kleinkrieg mit der katholischen Kirche, insbesondere mit dem Kölner Dom, der nicht jeden hereinlässt.

Fazit

"Nebenan" ist eine einfallsreiche, unterhaltsame Fantasyparodie, die vergnügliche Lesestunden bereitet.

Maret Hosemann - myFanbase
01.06.2012

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