Bewertung
Bauer, Simone

Alkoholfrei

"Und mal ganz abgesehen davon würde ich als unfassbare Langweilerin und Spaßlegasthenikerin dastehen. Also trank ich."

Foto: Copyright: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
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Inhalt

Emma und ihre Freundinnen Antonia und Friede genießen ihr junges Leben in vollen Zügen. Jedes Wochenende ist belegt mit Bar- oder Discobesuchen und auch unter der Woche gibt es zahlreiche Treffen mit Freunden und potenziellen Verehrern. Damit das auch immer richtig lustig zugeht, ist der Griff zum Alkohol ein standardisiertes Ritual geworden. Wer sich nicht hoffnungslos besäuft, sollte sich lieber krank abmelden. Emma hat diesen sinnlosen Konsum von alkoholischen Getränken langsam satt, doch ihr Schwarm und ihre Freundinnen überreden sie immer wieder dazu, mitzumachen. Nachdem sie aber ein Mal geistesgegenwärtig ihre ins Koma getrunkene Freundin rettet und wenige Wochen später die gierigen Annäherungsversuche eines betrunkenen Dates nur mit viel Mühe halb benommen abwehren konnte, freundet sich Emma immer mehr mit dem Gedanken an, sich vom Alkohol fern zu halten. Das täte nicht nur ihrer Gesundheit sehr gut, es würde auch allerlei missliche Lagen deutlich einfacher beenden können.

Doch ihre persönliche Einsicht ist der eine Schritt. Wie aber soll sie ihre Entscheidung ihren beiden besten Freundinnen klar machen, die eh schon beleidigt sind, weil Emma sich an der Sprachenschule in München bewirbt und damit ihren Freundinnen aus deren Sicht den Rücken zukehrt? Der Gegenwind ist beträchtlich, denn statt das ihre Entscheidung als erwachsen, mutig und vor allem sinnvoll erachtet und respektiert wird, wird sie belächelt und nach und nach ausgegrenzt.

Kritik

Jetzt ist es also soweit. Die Autoren der Bücher, die ich lese, sind jünger als ich selbst. Nun gut, daran muss man sich in Zukunft wohl gewöhnen. Und in diesem Falle ist es auch gut so, denn es handelt sich schließlich um einen Jugendroman, der ein in den letzten Jahren durch Koma-Saufen und Alkopops sehr mediales Thema in den Mittelpunkt stellt und damit in gewisser Hinsicht genau den Geist der Zeit trifft: das Trinken von alkoholischen Getränken als Freizeitbeschäftigung mit höchsten Gruppenzwangsfaktor. Sinnloses Betrinken, um sich mit der Realität nicht beschäftigen zu müssen und die Zukunft vor sich herschieben zu können. Wer nicht mitmacht, ist ein Außenseiter. Und was gibt es in der Pubertät schon Schlimmeres als ein Außenseiter zu sein? Es muss also etwas Gravierendes passieren, um die übrig gebliebenen Gehirnzellen zu aktivieren und die Flucht nach außen anzutreten.

Simone Bauer hat dies in "Alkoholfrei" alles ziemlich treffend beschrieben. Der sprachliche Stil lässt eine Identifikation mit der Ich-Erzählerin gut zu, weil Wortwahl, Ausdruck und Inhalt immer konform sind und man spürt, dass hier nicht jemand so tut, als wenn er die jetzige Generation versteht, sondern tatsächlich ein Teil davon ist. Außerdem geht es natürlich nicht nur um Alkohol, sondern auch alle anderen Themen, die Jugendliche beschäftigen: Schule, bevorstehende Ausbildung, Freundschaften, Beziehungen, Verhältnis zu den Eltern. Eigentlich wird nichts ausgelassen, doch die 250 Seiten wirken deshalb nicht hoffnungslos überfüllt. Es ist alles im richtigen Maße dabei, wobei mir persönlich an manchen Stellen der Fokus vom Thema Alkohol fast zu weit entrückt wird, war es doch schließlich der Aufhänger, warum mich das Buch so interessierte. Was beim Lesen etwas störte, weil man dachte, jetzt wird nur noch ein Liebesroman mit Happy End daraus, ist am Ende des Buches aber nachvollziehbar. Letztlich ist die Schwerpunktsetzung doch gar nicht verloren gegangen.

Die Story ist insgesamt sehr funktional und über weite Strecken sehr realistisch. Vereinzelt wirken entscheidende Momente aber doch zu stark vereinfacht. Emmas Freundinnen sind sehr einseitig gegen sie und enorm unreflektiert. Vielleicht hatte ich aber auch nur das Glück, solch durchgängig oberflächliche Menschen bisher nicht kennen gelernt zu haben. Jarek hingegen ist fast zu perfekt. Das mag aber natürlich alles durch die Perspektive der Ich-Erzählerin bedingt sein, denn Emma darf in ihrer pubertären Übertreibung natürlich diesen Eindruck haben. Trotzdem sind es diese Momente, in denen man sich dann doch zu alt für das Buch hält.

Trotzdem oder gerade deshalb ist das Buch wunderbar geeignet um einen Blick auf die heutige Jugend werfen zu können, was meine Absicht gewesen ist. Und die Stärken von "Alkoholfrei" liegen schließlich in den vielen Gedankengängen von Emma, die zahlreiche Emotionen und Wahrheiten enthalten, welche die Jugend beschäftigt und vor allem belastet und herausfordert. "Ich war so allein, wie ich es befürchtet hatte." Man fühlt sich wirklich involviert. Und die grundlegende Message ist dabei auch nicht zu verachten. Da sich der Roman aber nicht als schwingende Moralkeule versteht, sondern einfach nur sensibel und positiv die Seiten der Vernunft von der sinnfreien Freizeitbeschäftigung abgrenzt und die richtigen Fragen stellt, kann man das Buch auch der betroffenen Altersklasse empfehlen, ohne den Eindruck zu vermitteln, ein letzten Erziehungsmittel ergreifen zu wollen.

Als Fan von Fernsehserien hat man dann natürlich noch seine Freude an den zahlreichen Erwähnungen. Emma ist ein großer Serienfan und nutzt diese, um sich abzulenken oder zu beschäftigen.

Fazit

"Alkoholfrei" ist ein gelungener Jugendroman, der die vielfältigen Ereignisse in der Pubertät aus der Perspektive der Trinklust und daraus resultierenden Trinkunlust betrachtet und dabei viele Gedanken offenbart, die möglicherweise viele Jugendliche haben, sich aber nicht immer auszusprechen trauen.

Emil Groth - myFanbase
28.11.2012

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