Bewertung
Niven, John

Straight White Male

"Du vögelst Tausende von Frauen und scheffelst Millionen? Fick dich - du stirbtst."

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Inhalt

Früher war Kennedy Marr ein gefeierter Romanautor, jetzt verdient er als so genannter "Scriptdoktor" viel Geld damit, durchschnittliche bis schreckliche Filmdrehbücher aufzupeppen. Kennedys verschwenderisches Leben im dekadenten Hollywood überfordert sein Bankkonto jedoch trotz guter Auftragslage zusehends. Da kommt es seinem Management ausgesprochen gelegen, dass er einen hochdotierten Literaturpreis erhalten soll. Kennedys eigene Freude hält sich dagegen in Grenzen, denn der Preis schließt mit ein, dass er ein Semester lang an einer britischen Universität unterrichtet. Für Kennedy ist dies aus mehreren Gründen ein Alptraum. Nicht nur, dass er keine Lust auf echte Arbeit und vorbildliches Verhalten hat, er trifft an der Universität auch seine Ex-Frau Millie, die Mutter seiner Tochter Robin, wieder und muss sich seinem Scheitern als Ehemann und Vater stellen.

Kritik

Schon nach wenigen Seiten drängt sich die Frage auf, ob John Niven nicht womöglich den Roman zur Serie "Californication" schreiben sollte und sich im letzten Moment entschlossen hat, was Eigenes zu versuchen. Aus Hank Moody wurde so Kennedy Marr, aus Karen Millie und aus Becca Robin. Nein, so war es selbstverständlich nicht, aber die oberflächlichen Parallelen zwischen "Straight White Male" und "Californication" lassen sich nicht leugnen. Wie der Fernsehcharakter Hank Moody ist auch Kennedy Marr ein nach L.A. verpflanzter Romanautor, der sein unbestreitbares Talent vergeudet und sich einem ungesunden, moralisch sehr fragwürdigen Lebensstil verschrieben hat, der von Sex, Alkohol und Drogen geprägt wird. Kennedy und Hank sind beide Vater einer muskalischen Teenager-Tochter und haben die eine Frau, die vermutlich die Richtige war, in die Flucht geschlagen. Während Hank kurzzeitig als Drehbuchautor aktiv war, hat Kennedy sich rein des Geldes wegen dauerhaft in der Filmbranche niedergelassen.

Unter der Oberfläche nehmen die Gemeinsamkeiten zwischen "Straight White Male" und "Californication" jedoch immer mehr ab. John Nivens Roman ist düsterer, tragischer und in Bezug auf Sex drastischer als die 2014 beendete Fernsehserie. Das Eintauchen in Kennedys Psyche offenbart viele Ängste, Selbstzweifel und Gewissensbisse. Kennedy fürchtet sich so sehr vor dem Tod, dass er sich rücksichtlos ins Leben stürzt. Er kann keinem Vergnügen aus dem Weg gehen und betäubt die Angst vor der eigenen Sterblichkeit und seine egozentrische Überzeugung, das Beste zu verdienen, mit wilden Affären, Alkoholexzessen, Fressorgien und unnötiger Geldverschwendung. Er weiß, dass er die ihm nahe stehenden Menschen immer wieder verletzt und rechnet damit, dafür eines Tages mit größter Einsamkeit und Verzweiflung bezahlen zu müssen, aber er kann nicht aufhören. Er ist unverbesserlich, auf eine für ihn und andere Menschen schmerzhafte, desillusionierende Weise.

Natürlich erlebt er im Laufe dieses Romans doch noch eine Katharsis, die leider alles in allem ziemlich vorhersehbar verläuft. Angesichts meiner bisher überwiegend positiven Erfahrungen mit Nivens Romanen, war es für mich persönlich wohl die größte Überraschung, wie arm an Überraschungen "Straight White Male" ist. Fast alles, was Kennedy tut oder ihm widerfährt, deutet sich frühzeitig an und kann daher selten richtig fesseln.

Gut geschrieben ist "Straight White Male" ganz zweifellos und als Psychogramm eines Mannes mittleren Alters und als zynische Auseinandersetzung mit der Unvereinbarkeit von hoher Literatur und Hollywood hat der Roman durchaus seinen Wert, aber in Bezug auf Biss, Originalität und Einfallsreichtum bleibt "Straight White Male" doch ein gutes Stück hinter meinen Erwartungen zurück.

Fazit

"Straight White Male" zählt nicht zu John Nivens größten Würfen und kann nicht so durch Originalität, Skurrilität und Ideenreichtum bestechen, wie es z.B. seine Romane "Coma" und "Gott bewahre" geschafft haben.

Maret Hosemann - myFanbase
08.09.2014

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