Bewertung
Dooland, A. E.

Under My Skin

"Was für ein großes Problem im Leben: 'Hi, ich bin Min Lee und mein kostenloses Luxusapartment voller Designmöbel fühlt sich karg und seelenlos an.' Vielleicht brauche ich eine Selbsthilfegruppe."

Inhalt

Min Lee ist 25, koreanischer Herkunft und arbeitet in Sydney 24/7 für Frost International. Sie liebt ihren Job im Marketing – ihren Freund Henry und sich selbst aber nicht. Was sie seit Schulzeiten für ein merkwürdiges Problem mit ihrem Äußeren hält – und normale physische Probleme mit sündhaft teuren, unbequemen Jimmy Choos - kristallisiert sich dank einer Begegnung mit der 18-jährigen Bree zu einer Identität als Transgender heraus. Doch welches Geheimnis verbirgt Bree selbst?

Kritik

In der heutigen, hektischen Zeit fällt es einem nicht besonders schwer, sich mit Workaholic Min zu identifizieren. Überhaupt: A. E. Dooland, die selbst im Finanzbereich arbeitet, erzählt dem Leser direkt, wie das so ist mit Mins Überstunden und der wenigen privaten Zeit zu Hause mit Rotwein und Videospielen. Mit trockenem Humor wird Mins Hadern mit ihrem Äußeren dargestellt ("Eine Frau, die hasst, wie sie aussieht, das ist ja mal was Neues. Die Cosmo wurde praktisch für mich geschrieben."), hoch emotional ihre Aufreger – und mit blankem Ernst Mins Ekel vor dem Sex mit ihrem Freund, Personaler Henry. Min kann nicht verstehen, was Henry an ihr findet, und wurde wegen ihrer Größe und ihren breiten Schwimmerschultern auch seit jeher nur gemobbt. Sie selbst hält sich ebenso für einen frigiden hardcore Tomboy. Eines Nachts malt sie, wie sie als Mann aussehen würde, und ist am nächsten Morgen der Star auf Deviant Art – vor allem bei Frauen, die sie nun anflirten. Dieses Set-Up beschreibt Dooland so stark, dass man das Bild direkt vor Augen hat. Doch Min versucht, vieles zu verdrängen: "Ich musste mich verdammt noch mal wieder fangen. Ich war fünfundzwanzig, nicht vierzehn. Dieser 'Ich hasse mich'-Scheiß war nicht mehr süß."

Auch die fast 18-jährige Briana "Bree" Dejanovic findet Gefallen an Mins Zeichnung – hat ihr aber schon davor viele Nachrichten voller Rechtschreibfehler und Ausrufezeichen geschickt. Das Fangirl beginnt, Min liebevoll zu stalken ("Ich bin keine angsteinflössende Stalkerin. Es ist nicht so, als hätte ich irgendeinen Schrein gebaut für sie, auf dem ich Tiere töte, und eine Wand mit Fotos beklebt, mit denen ich jede Nacht masturbiere oder so."). Dabei steht doch eigentlich gerade etwas anderes im Vordergrund: Die Co-Chefin von Frost International, Diane Frost, setzt nach einem erfolgreichen Abschluss eines Projekts stark auf Min, ein unerwartetes Protegieren, das sie beflügelt. Sonst bekommt sie kaum Anerkennung, ihre Kollegen sind sexistisch, ihr sitzt eine traditionelle, koreanische Mutter im Nacken, die sie unbedingt unter der Haube sehen will - und bei der netten Kollegin Sarah hat sie panische Angst, sich irgendwie als queer zu outen. Nicht, dass sie dies wäre. Natürlich nicht. Doch irgendwie blühen da Gefühle für Bree auf. Und Sarahs Freundin Gemma ist auch nicht so übel ...

Das blonde Schulmädchen hat jedenfalls entschieden, dass sie Freunde werden, und so füllen sich dreiunddreißig Kapitel mit Turbulenzen. Zwar ist Henry bewandert mit Psychologie, doch Min vertraut sich lieber Bree an – obwohl sie in der Arbeit zu versagen droht, beginnt sie mit ihrer Hilfe zu crossdressen und sich langsam, zum ersten Mal, wohl in ihrer - eigentlich seiner - Haut wohl zu fühlen.

Fazit

"Under My Skin" gehört zu den Romanen, die einen fesseln und nicht mehr loslassen. Da verrutscht dem Leser beim Mitfiebern beim ersten Dinner von Min und der leider taktlosen Bree schon mal das Herz. Einen großen Punkt macht hierbei die Sprache der australischen Autorin aus – ironisch (sodass man laut im Zug lachen muss), schmerzhaft, wunderschön. Vor allem die Internetpräsenz Doolands macht es leicht, das "Under My Skin"-Erlebnis zu intensivieren. Dort findet man fortsetzende, oft erotische Kurzgeschichten aus verschiedenen Blickwinkeln, zudem publiziert die Autorin auf ihrem Tumblr ihre "Frozen"-Fanfictions und arbeitet an der Fortsetzung in voller Länge, "Flesh & Blood", die man über Kickstarter unterstützen kann. Darin stellt sich Min nach dem Ende von "Under My Skin" nicht nur der Frage nach Testosteroninjektionen und dem Umgang mit ihrer Mutter ...

Simone Bauer - myFanbase
10.03.2015

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