Bewertung
Lu, Marie

Legend - Fallender Himmel

"Each day means a new twenty-four hours. Each day means everything's possible again. You live in the moment, you die in the moment, you take it all one day at a time."

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Inhalt

Amerika in der Zukunft: Die westlichen Staaten haben sich zu einer Republik zusammengeschlossen und den übrig geblieben Staaten den Kampf angesagt. Ein großer Test, an dem jeder Bürger der Republik im Alter von zehn Jahren teilnehmen muss, besiegelt dessen Schicksal: Erreicht man eine hohe Punktzahl, kann man sich über ein sorgloses Leben freuen, während diejenigen, die schlecht abschneiden, ihr Dasein in den Slums fristen müssen, die nicht nur von Armut, sondern auch von regelmäßig ausbrechenden Seuchen dominiert werden.

June und Day könnten unterschiedlicher nicht sein. Während die intelligente June die volle Punktzahl in dem Test erreicht hat und zur Agentin der Republik ausgebildet wird, ist Day mit seiner Familie in einem der Slums aufgewachsen und seit einigen Jahren der meistgesuchte Verbrecher Amerikas. Nachdem Junes Bruder bei einem Überfall von Day verstirbt, setzt sie es sich zum Ziel, den Mord an ihrem Bruder zu rächen. Doch schon bald kommen ihr erste Zweifel an den Handlungen der Republik auf. Nachdem Day und June zunächst beide auf unterschiedlichen Wegen Gerechtigkeit anstrebten, decken sie schon bald gemeinsam die Geheimnisse der Republik auf.

Kritik

Die Autorin Marie Lu sagt in einem Interview, dass sie niemals damit gerechnet hätte, dass "Legend - Fallender Himmel" ein solch großer Erfolg werde. Tatsächlich scheint das Buch in der Masse der Dystopien erst einmal wie jede andere zu sein: Eine fiktive Zukunftsvision eines Landes, in dem Unterdrückung herrscht, die Regierung Geheimnisse hat und Menschen in teils erbärmlichen Verhältnissen leben, gepaart mit einem Protagonisten, der sich gegen eben dieses System auflehnt, ausgehend von einem persönlichen Schicksalsschlag. Doch die Trilogie von Marie Lu bietet noch weitaus mehr, denn hier gibt es gleich zwei Helden, die zwar in völlig unterschiedliche Verhältnisse hineingeboren wurden, aber letztendlich doch zusammenfinden und an einer Seite kämpfen.

Um die Beweggründe beider Charakter nachvollziehen zu können, wird die Erzählperspektive in jedem Kapitel gewechselt. Diese Perspektivenwechsel sind äußerst gelungen und geschehen immer an passenden Stellen, sodass der Lesefluss nicht gestört wird. Marie Lus Schreibstil ist sehr flüssig, wobei sie darauf verzichtet, die Umgebung detailreich zu beschreiben. Stattdessen konzentriert sie sich auf die Gedanken und Gefühle der Charaktere. Jede Handlung geschieht nachvollziehbar, sodass der Leser mit Day und June gleichermaßen mitfühlen und auch die Feindschaft zu Beginn des Romans nachvollziehen kann.

Die gesamte Handlung ist von Anfang an spannend, was unter anderem auch daran liegt, dass die Autorin auf eine lange Vorgeschichte verzichtet. Stattdessen erfährt man einerseits durch die Erinnerungen von Day und June nach und nach, was in der Vergangenheit geschehen ist, andererseits aber auch durch deren Entdeckungen und neuen Erkenntnissen. Und hier gibt es den größten Kritikpunkt an dem Buch: Teilweise scheinen die Charaktere schon fast hellseherische Fähigkeiten zu haben. Als die beiden beispielsweise erkennen, dass der jeweils andere gar nicht der eigentliche Feind ist, geschieht dies auf eine Weise, die sehr an den Haaren herbeigezogen wirkt. Hier wäre eine durchdachtere Handlung wünschenswert gewesen, stattdessen wurde der Weg gewählt, der die Storyline am schnellsten voranbringt. Ebenfalls negativ fällt die schon fast übertriebene Intelligenz von June im Laufe des Buches auf. Sicher hat sie eine überdurchschnittlich große Denkleistung, immerhin hätte sie den großen Test andernfalls nicht mit der vollen Punktzahl bestehen können, dennoch ist es an manchen Stellen nicht ganz realistisch. Besonders in Situationen, in denen sie unter Druck steht, scheint sie sich voll und ganz konzentrieren zu können, ohne von ihren Gefühlen beeinflusst zu werden. Letztendlich sollen diese Szenen aber wohl nur unterstreichen, dass sie außerordentlich klug ist.

Ergänzt wird der Roman neben Day und June durch zahlreiche Nebencharaktere, die in der dystopischen Welt verschiedene Positionen einnehmen: Zum einen gibt es Thomas, der blind den Vorgaben der Republik folgt, ohne jegliche Befehle oder Taten in Frage zu stellen oder gar vor dem Mord an unschuldigen Personen zurückzuschrecken. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Patrioten, die hinter Day stehen, ohne ihn überhaupt zu kennen, und sich gegen die Missstände auflehnen. Anders handelt Days Familie, die sich – zumindest nicht in der Öffentlichkeit – negativ über die Republik äußert. Und dann gibt es da noch Tess, Days beste Freundin und treue Begleiterin, die besonders in der zweiten Hälfte des Buches nur noch eine untergeordnete Rolle einnimmt und leider etwas zu kurz kommt. Ich bin mir aber sicher, dass in einem der späteren Bände ihr großer Moment noch kommen wird und sie ihren Teil zum Verlauf der Geschichte beitragen wird.

Das Ende des Romans ist in Anbetracht dessen, dass es sich um eine Trilogie handelt, sehr gelungen. Es bleiben einige Fragen sowie Handlungsstränge offen, andererseits bietet der Roman aber auch einen runden Abschluss, sodass man sich nicht allzu sehr ärgern muss, wenn man den zweiten Band nicht sofort im Anschluss lesen kann. Darüber hinaus bietet auch die Entstehung der Republik noch viel Stoff für die Folgebände. Nach dem ersten Teil weiß man leider kaum etwas darüber, warum das Amerika, wie wir es heute kennen, in dieser Zukunftsvision nicht mehr existiert.

Fazit

"Legend - Fallender Himmel" ist der gelungene Auftakt einer Dystopie-Trilogie. June und Day als das intelligente, reiche Mädchen und der Staatsfeind Nummer 1 bieten zwei facettenreiche Hauptcharaktere und ihr gemeinsamer Kampf gegen die Republik macht definitiv Lust auf mehr.

Zur Rezension von Band 2 "Legend - Schwelender Sturm"

Zur Rezension von Band 3 "Legend - Berstende Sterne"

Laura Krebs - myFanbase
25.04.2015

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