Girl In A Band
"Es fällt mir schwer, über New York zu schreiben. Nicht, weil Erinnerungen sich kreuzen und überlagern, denn das tun sie natürlich. Auch nicht, weil Ereignisse und Zeiten sich vermischen, denn auch das ist normal. Nicht, weil ich mich nicht in New York verliebt hätte, denn obwohl ich allein war und arm, habe ich mich bisher an keinem Ort mehr zu Hause gefühlt. Nein, es ist einfach schwer, mit gebrochenem Herzen eine Liebesgeschichte zu erzählen."
Inhalt
Kim Gordon und Sonic Youth sind ein Phänomen: Die einen werden erzählen, dass sie schon in frühester Jugend in Kim Gordon verliebt waren oder dass sie durch Sonic Youth dazu inspiriert wurden, eine eigene Band zu gründen. Die anderen werden bei den Namen nur mit den Schultern zucken und weitergehen. Sonic Youth ist sozusagen die Band, die genau auf der dünnen Linie zwischen Underground und Mainstream steht, ohne die es Bands wie Nirvana jedoch nie gegeben hätte. Dreißig Jahre lang hat Sonic Youth Musik gemacht, die irgendwo zwischen Rock, No-Wave, Experimental, Garage und Popmusik zu verorten ist, und genauso lange waren die beiden Bandmitglieder Thurston Moore und Kim Gordon zusammen. Die Ehe der beiden Musiker bewies einer großen Fangemeinde, dass es durchaus möglich war, eine stabile Beziehung mit der Coolness des Rock 'n' Roll zu vereinen. Schließlich zerbrach die Ehe doch. Und jetzt hat Kim Gordon ihre Autobiographie veröffentlicht. Ihr Buch ist keine Abrechnung mit Thurston Moore, das Ende der Beziehung gab lediglich den Anstoß dazu, es zu verfassen.
"Girl in a Band" berichtet von dem kalifornischen Lifestyle der 1960er Jahre, der zwischen der freien Liebe des Hippietums und den Manson-Morden changierte, es berichtet von der heutzutage nahezu totgentrifizierten Underground-Szene New Yorks der 1980er, als es in Manhattan noch heruntergekommene Wohnungen für 100 Dollar Miete gab, berichtet von einer Band, die sich dem Mainstream zu- und wieder abwandte, von enttäuschter Liebe, schizophrenen Brüdern, Punkrock-Idealen und Feminismus. Ganz schön viel für ein einziges Buch – und ganz schön viel für ein einziges Leben.
Kritik
Nahezu jeder Kritiker, der sich mit Kim Gordons Autobiographie beschäftigt, betont die Enttäuschung über das Ende der Ehe mit Thurston Moore. Es ist für die Fans auch das Ende der Hoffnung, Rock und Familienleben seien unter einen Hut zu bringen. Kim Gordon ist die Betrogene, aber sie stilisiert sich nicht als Opfer. Recht nüchtern und höchstens mit einer leisen Traurigkeit betrachtet sie in den wenigen Kapiteln, in denen es um dieses Thema geht, das Ende des Traums.
Emotionaler wird Gordon bei anderen Punkten. Besonders über den tragischen Tod Kurt Cobains, den sie als eine Art Seelenverwandten sah, denkt sie öfter nach. Kurt Cobain ist übrigens nicht der einzige Star, der einen Auftritt in dem Buch hat. Wie nebenbei tauchen da plötzlich Michael Stipe, Courtney Love, Chloë Sevigny, Neil Young, Spike Jonze oder Gus van Sant auf, die alle zu Gordons Freundeskreis gehören oder mit ihr künstlerisch zusammengearbeitet haben. Und genau aus diesem Punkt ist die Autobiographie nicht nur für Sonic-Youth-Fans interessant, sondern für alle, die sich mit der US-amerikanischen Popkultur und deren kommerziellen Niedergang beschäftigen. Es geht somit um mehr als "nur" die Musik einer der unbekanntesten bekanntesten Bands der letzten dreißig Jahre.
Die Frage, die Gordon über drei Jahrzehnte hinweg nahezu bei jedem Interview gestellt wurde und die titelgebend ist, beantwortet sie in ihren Memoiren. Sie erzählt, wie das Leben in einer Musikgruppe ist und vor allem, wie es für sie als Frau war, sich Tag für Tag nicht innerhalb der demokratisch geprägten Band, sondern gegenüber der Öffentlichkeit durchzusetzen. Kim Gordon zeigt sich in vielerlei Hinsicht verletzlich, wie sie bisher nach außen nie gewirkt hat, bleibt aber trotzdem, wer sie wohl auch ist: Cool und stark, nur jetzt eben ein bisschen (be)greifbarer.
Die schöne Seite der Biographie ist, dass sie nicht unbedingt das Ende von Thurston Moore und Kim Gordon und Sonic Youth als Band erzählt, sondern auch einen Anfang: Sie habe es sich zwar nie erträumt, schreibt Gordon, aber sie sei begeistert davon, wie gut ihre eigene Tochter als Sängerin sei. Coco Gordon Moore, im gleichen Jahr geboren, in dem sich Kurt Cobain das Leben nahm, tritt in die Fußstapfen ihrer Eltern und hat mit "Big Nils" ihre eigene Band gegründet. Und obwohl Gordons Memoiren mit dem letzten Auftritt von Sonic Youth beginnen, so enden sie doch mit einem Blick in die Zukunft.
Fazit
Man muss kein Fan von Sonic Youth sein, um Kim Gordons "Girl in a Band" zu mögen. Natürlich geht es in vielen Teilen des Buchs um ihre Band, aber es ist vor allem auch ein Querschnitt der Kunst- und Musikszene der USA der letzten vierzig Jahre. Und es ist auch ein kleines feministisches Manifest, das Frauen darin bestärkt, sich auch in männerdominierten Branchen durchzusetzen und sich nicht unterkriegen zu lassen.
Zum Schluss schließen wir die Augen und befolgen Kim Gordons Rat: "Warum also nicht einfach tanzen und für ein paar Augenblicke vergessen, dass wir ohnehin ganz alleine sind?"
Isabella Caldart - myFanbase
13.05.2015
Diskussion zu diesem Buch
Weitere Informationen
Originaltitel: Girl In A BandVeröffentlichungsdatum (DE): 02.04.2015
Verlag: Kiepenhauer & Witsch
ISBN: 3462047485
Anzahl Seiten: 352
Genre: Biographie
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