Bewertung
Roger, Marie-Sabine

Heute beginnt der Rest des Lebens

Wenn schon sterben, dann wenigstens gut bestrumpft. Ich liebte diese Socken.

Foto: Copyright: 2015 Copyright Hoffmann und Campe Verlag
© 2015 Copyright Hoffmann und Campe Verlag

Inhalt

Mortimer wird sterben, an seinem 36. Geburtstag. Heute. Sein ganzes Leben drehte sich um dieses "Ereignis", den Fluch, dem alle Männer der Familie Decime bis dato zum Opfer gefallen sind. Mortimer ist bereit, so bereit man nur sein kann. Doch gerade als er mit dem Unvermeidbaren rechnet, passiert nichts. Mortimer ist verwirrt. Warum lebt er noch? Immerhin hat er extra seine Wohnung gekündigt. Und seinen Job. Pläne für die Zukunft gibt es auch keine. Es gab schließlich keinen Grund dafür. Doch was nun? Gemeinsam mit seinen besten Freunden Paquita und Nassardine resümiert er sein bisheriges Leben und die Familienhistorie, um herauszufinden, warum er noch lebt und was er mit dem Rest seines Lebens anfangen könnte. Dabei erinnert er sich auch an Jasmine, die schon damals nicht zu ihm passte, so ganz anders war als er und ihn dennoch irgendwie glücklich machte.

Kritik

Charmant. Skurril. Herzerwärmend. Mit diesen Worten dürfte sich der aktuelle Pageturner der französischen Autorin Marie-Sabine Roger kompakt zusammenfassen lassen. Mit ihren Romanen "Der Poet der kleinen Dinge", "Das Labyrinth der Wörter" und "Das Leben ist ein listiger Kater" konnte die Roman- und Kinderbuchautorin in den vergangenen Jahren bereits eine breite Leserschaft gewinnen. Die beiden zuletzt genannten Bestseller fanden sogar den Weg auf die Kinoleinwand. Nun springt im aktuellen Roman "Heute beginnt der Rest des Lebens" das Kopfkino automatisch an, wenn Hauptprotagonist Mortimer an seinem 36. Geburtstag begreift, dass der Rest seines Lebens unerwartet doch noch vor ihm liegt. Es offenbart sich eine philosophisch angehauchte Dramödie im Buchformat – über das Leben, die Liebe, eine ungewöhnliche Freundschaft und verpasste Chancen.

Zu Beginn der Geschichte befinden wir uns auch schon direkt am Tag von Mortimers 36. Geburtstag und erfahren, was wir dank der Inhaltsangabe bereits wissen: Für unseren ungewöhnlichen Helden Mortimer Decime beginnt das Schicksal eine erstaunliche Wendung zu nehmen. Denn Mortimer stirbt nicht um die vorhergesehene Uhrzeit, wie es etwa seinen männlichen Vorfahren an eben diesem Jahrestag wiederfahren ist. Nein, Mortimer bleibt am Leben und muss die ganze "Wie kann das sein?"-Sache erst einmal verdauen. Wie gut also, dass es Paquita und Nassa gibt, die man ebenso wie Mortimer mit dem Prädikat charakterliches Unikat versehen könnte – liebevoll, teils skurril und lebensnah gezeichnet. So kommt man schon stark ins Schmunzeln, wenn die Liebesgeschichte von Paquita (zeichnet sich durch einen freizügigen Kleidungsstil aus) und Nassardine (kocht grauenhaften Kaffee) in einer kurzen Ausschweifung resümiert wird und man gemeinsam mit Mortimer die Gastfreundschaft der beiden im rollenden Crêpes-Imbiss genießen darf. Es offenbart sich eine ungleiche Freundschaft, die etliche Jahre andauert und sich durch die Lüftung um Mortimers Familiengeheimnis sogar vertieft.

Ebenso wie seinen besten Freunden enthüllt sich im Handlungsverlauf nun auch dem Leser die tragische Familienchronik um Mortimers seltsamen Familienfluch. Immer wieder switcht die Autorin zwischen dem Heute und Gestern hin und her. Man ist eben hautnah dabei, wenn der Ich-Erzähler Mortimer mit seinem Leben aufräumt, indem er seine Geschichte zu erzählen beginnt, dabei immer wieder kurz innehält, folglich erleuchtet wird und der endgültigen Wahrheit schließlich auf die Sprünge kommt. Diese Art des Erzählens mag zunächst etwas gewöhnungsbedürftig und sprunghaft erscheinen, gleichzeitig gewinnt die Geschichte dadurch aber an Spannung und Lebendigkeit, weil Mortimer peu á peu mehr über sein bisheriges Leben preisgibt und am Ende plötzlich vor der Frage steht: Gibt es Entscheidungen, die er in seinem Leben bereut? Und was lässt sich noch ändern? Hier erweisen sich die Hintergrundgeschichten einzelner Nebenfiguren zusätzlich als ein weiser Ratgeber für Mortimer... und vielleicht sogar für den einen oder anderen Leser.

Erfrischend ist zudem die charmant gewürzte Rezeptur aus französischem Humor und sinngebender Ernsthaftigkeit, sodass am Ende eine ausgewogene Balance zwischen Komödie, Drama und einem Hauch Amour entsteht. Gut, die überwiegend in Rückblicken geschilderte Liebesgeschichte strotzt nicht unbedingt vor hochromantischen Gefühlen und wirkt zuweilen ebenso sonderbar wie manch Figur selbst. Doch gerade das macht "Heute beginnt der Rest des Lebens" so besonders, einzigartig und verdammt lesenswert. Da drückt man bei der nicht ganz so rund gelösten Aufklärung um den Familienfluch und das (für das französische Kino irgendwie doch) typische Ende gerne ein Auge zu.

Ein kleiner Tipp am Rande: Auch in der Hörbuchversion, vorgelesen von Moritz Pliquet, unterhält die Geschichte um Mortimer, Paquita, Nassardine und Jasmine ebenfalls bestens – witzig, lebhaft und exzellent vorgetragen.

Fazit

Marie-Sabine Roger überrascht mit einer herzerwärmenden, teils skurril und charmant erzählten Geschichte über die ungeahnten Wendungen des Lebens.

Doreen B. - myFanbase
10.06.2015

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