Bewertung
Spychalski, Patrycja

Ich würde dich so gerne küssen

"Frieda, Herzchen, mit siebzehn hat man noch Träume, weißt du doch, also genieß dein letztes schönes Jahr. Hörst du!? Genieß es!"

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Inhalt

An ihrem 17. Geburtstag trifft Frieda auf den gutaussehenden Jeffer. Frieda, die sich vorgenommen hat, endlich die introvertierte Mustertochter zu Hause zu lassen, lässt sich von dem lebenshungrigen Frauenheld spontan mitreißen. Ehe sie sich versieht, zieht sie nur wenig später bei ihm ein. Für Frieda beginnt eine unbeschwerte Zeit, in der geraucht, gefeiert und reichlich Musik inhaliert wird. Doch schon bald verkomplizieren die intensiven Momente, die beide miteinander teilen, die Freundschaft, und Frieda muss sich eingestehen, dass sie Jeffer zu gerne küssen würde. Blöd nur, dass das irgendwie alle Mädchen gerne tun würden und Jeffer nicht unbedingt der romantische Typ ist. Doch da ist immer das Gefühl, dass er ebenfalls mehr für sie empfindet. Ein Trip an die Ostsee bringt schließlich Klarheit.

Kritik

Es gibt Romane, die sind einfach Geschmackssache. Na gut, eigentlich trifft diese Tatsache (genau genommen) auf alle Bücher zu. Dennoch gibt es Romane, die schlägt man mit einem wohligen und euphorischen Gefühl zu, obwohl man während der Lektüre eine Achterbahn der Gefühle durchlebt hat, manchmal sogar uneins mit den Charakteren war und am Ende trotzdem überrascht wurde. So ist das geschehen bei "Ich würde dich so gerne küssen" von der deutschen Autorin Patrycja Spychalski, die mit der Coming-of-Age-Geschichte um Frieda und Jeffer im Jahr 2012 ihr Debüt ablieferte und inzwischen aus der Jugendbuchecke kaum wegzudenken ist.

"Ich würde dich so gerne küssen", das klingt romantisch mit einer verheißungsvollen Sehnsucht im Nachhall. Nichtsdestotrotz erzählt Spychalski hier keine allzu romantische Liebesgeschichte, sondern vielmehr eine Geschichte über das Erwachsenwerden und eine nicht ganz unkomplizierte Freundschaft/Liebe. So gesehen bietet "Ich würde dich so gerne küssen" nicht unbedingt das, was man auf den ersten Blick vielleicht erwarten würde, nicht zuletzt, weil die ersten Seiten einen typischen Girl-meets-Boy-Jugendroman erahnen lassen.

Gemeinsam mit Ich-Erzählerin Frieda lernen wir in einem Berliner Club Mädchenschwarm Jeffer kennen. Es ist der Tag ihres 17. Geburtstages, der 1. Mai. Ein Tag der Demonstrationen. Der Tag, an dem Frieda beschließt, den Kopf aus dem selbst gebauten Schneckenhaus zu strecken und offener zu werden. Gesagt, getan. Schließlich ist der coole Jeffer genau der richtige Geselle, um locker zu werden. Es beginnt eine Zeit, in der sich Frieda und Jeffer die Nächte um die Ohren schlagen. Rauchen. Trinken. Abfeiern. Leben, als existiere kein Morgen, nur das Hier und Jetzt. Es erwächst eine Freundschaft, aus der mehr werden könnte. Nur müssen Frieda uns Jeffer erst einmal herausfinden, was sie sich eigentlich voneinander ersehnen. Es ist natürlich vorhanden, das Gefühl des Buchtitels, dieses Kribbeln im Bauch, das besagt "Ich würde dich so gerne küssen". Und so befindet man sich als Leser bald selbst in einem kleinen Dilemma. Immer fragt man sich: Kriegen sich die beiden nun endlich oder nicht? Spannend bleibt es bis zum Ende!

Bis zur letzten Seite erleben wir eine Karussellfahrt der verwirrten Gefühle und der Philosophie, die sich "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" nennt. Geredet wird selbstverständlich, nur halten Frieda und Jeffer mit ihren Gefühlen eben stark hinter dem Berg. Beide kreisen umeinander wie Motten um das Licht, sind wie Tag und Nacht und manchmal nicht greifbar in ihrem Handeln und Denken. Und genau darin liegt die Krux dieser etwas anderen Liebesgeschichte, obgleich genau diese Eigenschaften wiederum eine realitätsnahe Atmosphäre verströmen und eben menschlich erscheinen.

Das beste Beispiel ist Frieda selbst. Von der ersten bis zur letzten Seite vollzieht sie eine charakterliche Wandlung. Durch Jeffer wird sie offener, mutiger und lebenshungriger. Da wird mal die Schule geschwänzt und ein kleiner Umzug gestartet, solange die Eltern im Urlaub sind. Eifersucht spielt ebenfalls eine wesentlich Rolle, bedenkt man Jeffers einnehmendes Wesen und seine berauschende Wirkung auf andere Menschen. Nichtsdestotrotz erscheint Friedas Wandlung ein wenig abrupt. Schließlich braucht es nur diesen gutenaussehenden Jeffer und schon ist nichts mehr in ihrem Leben wie es vorher war. Und Jeffer? An dem beißt sich nicht nur Frieda die Zähne aus. Er ist ganz klar ein Womanizer zum Verlieben – attraktiv, beliebt und unnahbar. Er verkörpert den perfekten Stereotypus, ist bis zum Ende nicht richtig durchschaubar und wirkt auf seine Weise dennoch authentisch.

Umso authentischer gestaltet sich auch das Ende. Es kommt das Gefühl auf, Teil einer Geschichte gewesen zu sein, die tatsächlich wahr sein könnte. Die Liebe zu rockigen Sounds, einem Gefühl von unbändiger Freiheit und der Sehnsucht nach diesem einen Kuss runden die ganze Sache schließlich ab – begleitet von einem angenehmen, lockeren und teils nachdenklichen Unterton.

Fazit

Mit Frieda und Jeffer durch die Berliner Clubszene zu feiern, rockigen Klängen zu "lauschen" und das Leben zu leben, wie es gerade kommt, ist ein Erlebnis der besonderen Art. Dabei bietet "Ich würde dich so gerne küssen" nicht unbedingt die eingangs erwartete Liebesgeschichte der hochromantischen Art, sondern eine atmosphärische Geschichte über das Erwachsenwerden und chaotische Gefühle. Nicht in allen Belangen zum Küssen schön, aber perfekt für einen chilligen Leseabend.

Doreen B. - myFanbase
27.06.2015

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