Bewertung
Flender, Karl Wolfgang

Greenwash, Inc.

"Willkommen bei Mars & Jung. Ihr Image ist unser Auftrag."

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Inhalt

Der frühere Journalist Thomas Hessel arbeitet für die erfolgreiche PR-Agentur Mars & Jung, die darauf spezialisiert ist, Unternehmen als besonders umweltfreundlich und aktiv im Naturschutz zu präsentieren. Seine Aufträge führen ihn rund um die Welt an einige der ärmsten und gefährdetsten Orte unseres Planeten. Getrieben von dem Wunsch nach Anerkennung und beeinflusst von verschreibungspflichtigen Medikamenten, die er in Massen nimmt, wird Thomas' Verhalten immer skrupelloser. Seine Lügen und Täuschungen gefährden zunehmend Menschenleben.

Kritik

Öko ist in. Begriffe wie "umweltschonend" und "nachhaltig" wecken in vielen Konsumenten die Bereitschaft, auch etwas mehr für ein Produkt zu bezahlen. Es geht ja schließlich um unseren Planeten. Viele Unternehmen werben inzwischen offensiv damit, dass sie sich für die Umwelt engagieren. Das macht Eindruck. Doch wie viel davon ist echt und was nur PR? Halten sich die Unternehmen wirklich an ihre Versprechen? Haben die ganzen schönen Begriffe und grünen Sticker auf den Verpackungen überhaupt einen Mehrwert? Werden tatsächlich sinnvolle Maßnahmen auf den Weg gebracht oder ist das alles nur Schaumschlägerei? Karl Wolfgang Flender gibt in "Greenwash, Inc." sehr zynische Antworten darauf. Der Antiheld und Ich-Erzähler des Romans, Thomas Hessel, wird als Mitarbeiter der Agentur Mars & Jung dafür bezahlt, dass er Firmen "grünwäscht". Er vertuscht Verstöße, inszeniert Heldengeschichten und organisiert medienwirksame Veranstaltungen. Hinter all den schönen Bildern von Wasserleitungen in Afrika und Eindämmen der Brandrodung im Regenwald steckt nichts als Lug und Betrug. Den ärmsten und gefährdesten Regionen der Welt wird nicht geholfen, sie werden ausgebeutet, ausgenutzt und haben gefälligst mitzuspielen.

Das PR-Business und das ökosoziale Marketing werden in "Greenwash, Inc." von einer sehr hässlichen Seite gezeigt. In der Agentur Mars & Jung wird über Leichen gegangen, sprichwörtlich und wortwörtlich. Interne Konkurrenzkämpfe sind an der Tagesordnung, nicht nur in Bezug auf den beruflichen Erfolg, sondern auch was Aussehen und sportliche Leistungen betrifft. Die Kollegen nennen sich untereinander Freunde, sind aber von Misstrauen und Eifersucht zerfressende Feinde. Besonders bezeichnend für die gesamte Atmosphäre, die in dieser Welt aus Lügen und Eitelkeiten herrscht, ist der Moment, in dem Thomas und sein Kollege Christoph sowie ein neuer Praktikant ihre Rennräder vergleichen. Das erinnert stark an die Szene aus dem Kultklassiker "American Psycho", in der die Juppies darum wetteifern, wer die geschmackvollste Visitenkarte hat.

Sympathische Charaktere findet man in diesem Roman allenfalls in den kleinsten Nebenrollen. Die für die Handlung entscheidenden Figuren sind eitle, verlogene, selbstzerstörerische und skrupellose Individuen, für die sich weder Verständnis noch Mitleid regt. Das schließt den Ich-Erzähler Thomas mit ein, wobei ich bei seiner Charakterzeichnung dann doch die letzte Konsequenz vermisst habe. Einen völligen Unsympathen zum Erzähler einer Geschichte zu machen ist gewagt, keine Frage, kann aber bei mutiger Umsetzung sehr gut funktionieren, wie schon einige Romane vorgemacht haben. Bei Thomas dagegen werden immer wieder leichte Gewissensbisse angedeutet, die aber nicht dazu führen, dass er sich richtig verhält. Seine humanen Züge flackern nur kurz auf und sind zwei Sätze später schon wieder vergessen. Auch handelt er für eine intelligente Person in einigen Situationen viel zu naiv. Thomas steckt zwar tief in dieser korrupten Welt drinnen, erklärt sie uns, gestaltet sie mit, aber durchschaut sie nicht wirklich. Gegen Ende des Romans ist er meistens nur noch zugedröhnt und jämmerlich. So bleibt er ein Charakter, den man zwar nicht mag, der aber auch keine starke Reizfigur darstellt, die es Spaß macht zu hassen.

Die Angewohnheit des Autors, ein Kapitel im spannendsten Moment zu beenden und dann einen Zeitsprung zu vollziehen, so dass wir nur rückwirkend durch Andeutungen erfahren, was auf dem Höhepunkt eigentlich passiert ist, empfand ich auch als eher frustrierend. Dieses Stilmittel mag eine Abrechnung mit der menschlichen Sensationslust sein, derer sich die Agentur Mars & Jung selbst des Öfteren bedient, um ihre Ziele zu erreichen, es nimmt aber auch das Tempo aus der Handlung.

Im Ganzen lässt der Roman viele Chancen aus. Noch mehr Szenen aus Thomas' Berufsleben und dafür etwas weniger private Einblicke wären sicherlich faszinierender gewesen. Das Ende will auch nicht so recht überzeugen und lässt mit dem Gefühl zurück, dass dieser Roman zwar eine gute Portion Zynismus geliefert und das "grüne Marketing" kritisch durchleuchtet hat, aber nicht so unterhaltsam und spannend war, wie er hätte sein können.

Fazit

Es fehlen die letzte Konsequenz in der Charakterzeichnung und der Spannung, um aus "Greenwash, Inc." einen wirklich begeisternden Roman zu machen. Er ist aber dennoch eine interessante Abrechnung mit dem grünen Marketing.

Maret Hosemann - myFanbase
17.10.2015

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