Bewertung
Uhlmann, Thees

Sophia, der Tod und ich

"'Beten Sie denn ab und zu?' Ich: 'Nur wegen Fußball!' Die: 'Ich glaube, das reicht nicht'"

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Inhalt

Alles beginnt, als der Ich-Erzähler – 42, Altenpfleger, glühender Fußballfan – stirbt. Zumindest ist das so geplant: Der Tod klingelt an seiner Tür und erklärt, dass die Hauptfigur dasselbe Herzproblem habe, das seinen Vater viel zu früh dahingerafft hat. Doch dann klingelt es erneut. Es ist Sophia, seine Ex – weder der Protagonist noch der Tod hatten mit ihr gerechnet. Aber warum kann sie den Sterbeprozess aufhalten? Etwas ist ins Ungleichgewicht geraten.

Kritik

Dass Thees Uhlmann witzig und geistreich schreiben kann, das weiß man nicht zuletzt von seinen Stücken für die Band Tomte oder seinen Solosongs – tatsächlich zitiert er sich sogar selbst: "Wenn dir nichts mehr bleibt, hast du immer noch Stil" (aus "Du bringst die Stories (Ich bring den Wein)"). Seine Texte wurden außerdem in "Wir könnten Freunde werden: Die Tocotronic-Tourtagebücher" veröffentlicht, zudem schrieb er Kolumnen und Artikel für die Visions und andere Zeitschriften. Auf den ersten Roman musste der Verlag aber über zehn Jahre warten.

Nicht wenig von ihm stecke in der Geschichte, erklärte er beim Neo Magazin Royale, und in Sophia habe er sich ein bisschen verliebt. Als Leser der ersten Stunde des Newsletters von Grand Hotel van Cleef, einem Independent-Label, das er zusammen mit Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff von Kettcar leitet, kennt man bereits gut: Dialogformen ohne Schnickschnack, Anekdoten, Listen. Facebook-Fans wissen auch um seine Liebe und seine Beobachtungen über das Zugfahren und über Fußballspielen obskurer Kreisligen. Und natürlich: Dass er überzeugter Norddeutscher ist. Den Soundtrack zum Besuch der Gottesfürchtigen Mutter hat er gleich selber geschrieben, mit "Lat:53.7 Lon:9.11667" (auf dem ersten Soloalbum). Dazu Details wie "es klang, als ob man mit einem stumpfen Messer durch Styropor schneidet". Herrlich.

In "Sophia, der Tod und ich" zeigt Uhlmann, dass er nicht nur einen umfangreichen Wortschatz hat und ihn perfekt einzusetzen weiß, sondern ebenfalls, dass er Action kann. Denn der Tod, der sich selbst Morten de Sarg nennt, wird von einem neuen, bösen Tod herausgefordert, einem, der keinen letzten Wunsch in den finalen drei Lebensminuten erfüllen mag - und der noch dazu Johnny holen möchte. Johnny ist der achtjährige Sohn des Protagonisten, benannt nach dessen Lieblingskneipe, geboren von einer "Reichen". Ohne Besuchsrecht, nur mit seinem Bild auf einer Kaffeetasse, malt er ihm jeden Tag eine Postkarte, von denen ein paar auch im Buch liebevoll illustriert sind. Und schon bevor er wusste, dass dessen Leben auf dem Spiel steht, wollte er ihn noch einmal sehen. Mit auf dem Roadtrip zum Sohn sind Sophia und seine Mutter, denn beide sind mit dem Tod in Berührung gekommen und müssen sicherheitshalber mitreisen.

Sophie, seine burschikose Ex, hat der Erzhler durch ihren polnischen Vater kennengelernt, sein liebster Kunde im Altenheim. Nach der ersten durchzechten Nacht mit ihr und Morten verteidigt er zwar ihre Ehre ("Sie ist doch keine Saufnutte!"), doch Sophia ist stark für zwei. Hängt sein Herz vielleicht doch noch an ihr? Der Tod wird ihm unterwegs zum besten Freund – Morten selbst wirkt ganz kindlich, kann er doch bei diesem Abenteuer zum ersten Mal Dinge erleben wie schlafen, ein grünes Shirt anziehen oder pinkeln. Für Sophia tötet er ein paar Ameisen, damit sie ihm glaubt. Das ist kein Klamauk. Das ist bitterer Ernst.

Fazit

"Sophia, der Tod und ich" ist eine großartige Studie über die Menschen. Und so drollig und glücklich der Tod auch ist, er macht klar: "Ich bin der Grund, warum ihr morgens aufsteht." Viele von Uhlmanns Songs handeln von seiner Angst vorm Tod. Sein Protagonist macht da keine Ausnahme. Immerhin stirbt er die ganze Zeit. Dennoch kommt er ohne Boanlkramer-Deals, also Verhandlungen mit dem Tod, aus. Stattdessen nimmt er sich die Zeit, sein Leben wie einen Film vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen, genau so wie bevor man, nun, stirbt.

Simone Bauer - myFanbase
24.10.2015

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