Bewertung
Adrian, Julia

Die Dreizehnte Fee: Erwachen

"Unser Dornröschen ist eine Hexe", murmelt er und hebt mein Kinn mit der Spitze seines Schwertes.

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© Julia Adrian

Inhalt

Es war einmal eine Königin, die die Mächtigste von dreizehn Feen war. Trotzdem konnten ihre zwölf Feenschwestern sie in eine Falle locken und in einen ewigen Schlaf versetzen. Nun ist sie erwacht, tausend Jahre später, durch den Kuss eines Prinzen. Ist er ihre wahre Liebe? So, wie er sich ihr gegenüber verhält, wohl kaum. Und was hat der Hexenjäger überhaupt in dem staubigen Turmzimmer zu suchen? Die Erwachte weiß nur eines: Sie will sich bei ihren verräterischen Schwestern rächen, koste es, was es wolle. Gemeinsam mit dem Hexenjäger und ohne ihre gewohnte Magie macht sie sich auf den Weg, um dieses Ziel zu verfolgen, in der Gewissheit, dass sie die letzte Hexe auf seiner Abschussliste sein wird. Zunächst werden aus den Jägern erst einmal Gejagte und aus Feinden etwas ähnliches wie Verbündete, die einander mit Haut und Haar verfallen.

Kritik

Bei diesem Märchenpotpourri spricht der Buchtitel für sich. Wir erinnern uns an das Grimmsche Märchen "Dornröschen": Nach der Geburt der Königstochter wird die dreizehnte Fee zwecks mangelndem Tischgedeck von der Gästeliste gestrichen, woraufhin sie das Königskind verflucht. Doch was, wenn eine böse Fee zum Dornröschen wurde und der wachküssende Prinz nicht die wahre Liebe verkörpert? Ja, dann hat Julia Adrian ihre Schreibfeder in die Märchenwelt gebracht, in dem sie die unheilvolle Büchse der Pandora öffnet. Im Lande Pandora ist die Ich-Erzählerin nämlich eine ehemals gefürchtete Königin. Einst von den zwölf Feenschwestern betrogen, dürstet die Erwachte nun nach Rache. An ihrer Seite ist ein lakonischer Hexenjäger, der sie als seine Gefangene betrachtet.

Welche Märchengestalt verkörpert die erwachte Fee nun eigentlich? Malefiz heißt sie nicht, obgleich der Trilogieauftakt um "Die Dreizehnte Fee" ein wenig an die Hauptfigur aus "Maleficent - Die dunkle Fee" erinnert, begleitet von einem Hauch "Schneewittchen". Immerhin kann der derzeit Magielosen kein Mann widerstehen, mit ihrer Haut so weiß wie Schnee, Haaren so schwarz wie Ebenholz und Lippen so rot wie Blut. Hier drängt sich ein Vergleich mit der Serie "Once Upon a Time" und der dort bösen Königin Regina geradezu auf. Das "Rotkäppchen" läuft mit ihrem roten Mäntelchen ebenfalls durch die Buchseiten und fabriziert mit dem tödlichen Hexenjäger an ihrer Seite sogleich ein schauriges Kopfkino à la "Hänsel und Gretel: Hexenjäger". In diesem Mix ergründet sich dann auch der Reiz um die rachehungrige Fee. Diese macht nicht nur Jagd auf ihre ebenso märchenhaften Schwestern, sondern vereint zugleich eine Reihe beliebter Märchenfiguren, samt dessen Rivalen, in sich selbst.

Dieses Konzept ist schlichtweg genial! Julia Adrian lässt im Auftakt ihrer Fantasy-Trilogie keine Müdigkeit aufkommen. Sobald die erstaunte Fee die Augen geöffnet und der eigennützige Prinz seinen Fehler bemerkt hat, gibt es kein Entkommen mehr. Der wortkarge Hexenjäger zieht das magielose Dornröschen ebenso straff beim Zopfe wie Julia Adrian die Aufmerksamkeit des Lesers auf die zauberhaft gestalteten Buchseiten. Das temporeiche Abenteuer um Rache, Sehnsucht und böse Feen hält den Spannungsbogen in kurze Kapitel verpackt aufrecht und lässt einen selbst nach dem letzten Satz nicht zu Atem kommen. Fieser Cliffhanger! Die schattierten Illustrationen von Svenja Jarisch werten die Geschichte zudem auf und lassen über die vereinzelten Leerseiten gut hinwegsehen.

Natürlich spielt die Liebe eine zentrale Rolle. Sie stellt sogar eine entscheidende Achillesferse der Antiheldin dar. Obwohl die Liebe oder (trefflicher formuliert) Leidenschaft zwischen der Dreizehnten und dem Hexenjäger bereits auf Seite 39 entflammt, kann man diese im Fall der Königin teilweise nachvollziehen. Immerhin sehnte sie sich schon vor dem Dornröschenschlaf nach Liebe. Dieses Gefühl erleben zu wollen grenzt schon fast an Besessenheit und so verwundert es kaum, dass der Jäger der Schönen nicht widerstehen kann, aber ungerührt bleibt. Es entstehen recht philosophische Dialoge und Gedanken um Menschlichkeit, Empathie und Massenunruhen zu Zeiten der Hexenverbrennung. Nichtsdestotrotz leidet unter dem rasanten Tempo bald die Charakternähe, vor allem in Bezug auf den Hexenjäger. Gerade weil die Geschichte in drei Bände aufgeteilt wurde und sich in den Fortsetzungen sicherlich vertiefen wird, wirken die 212 Seiten wie ein süchtig machender Appetitanreger, der hauptsächlich den knusprigen Boden für das noch fehlende Lebkuchenhaus bereitet.

Wie heißt der Hexenjäger? Was machte ihn zu dem, der er heute ist? In der zweiten Buchhälfte werden kurze Antworten eingestreut. Informationen über Aussehen, Persönlichkeit und Vergangenheit bleiben allerdings Mangelware. Der tödliche Rächer ist einerseits faszinierend und geheimnisvoll, durch seine distanzierte Art bleibt er in mancher Hinsicht aber genauso fremd wie die zu jagenden Feen. Diese bieten wiederum interessante Ansätze und erzeugen eine gespenstische Atmosphäre. Doch die Seitenzahl ist einfach zu knapp bemessen, um die volle Bandbreite der Hexenjagd genießen zu können. Gerade wenn der gruselig-melancholische Spaß begonnen hat, ist er auch schon wieder vorbei. Hier und da fehlt es noch an würzigen Zutaten, wie die Liebe zum Detail und einem Pinselstrich an Charaktertiefe – die facettenreich gestaltete Erzählerin ausgenommen. Der erwähnte Cliffhanger lässt reichlich Fragen offen und macht nicht nur deshalb feenhafte Lust auf die Fortsetzung "Die Dreizehnte Fee: Entzaubert". Alles in allem ein fesselndes Debüt mit verhexten Schwächen.

Fazit

Dies ist nur der Anfang! Julia Adrian erweckt in ihrem Debütroman allerhand Märchengestalten zum Leben und fasziniert mit einer königlichen Ich-Erzählerin der menschlich-boshaften Art. "Die Dreizehnte Fee: Erwachen" bietet ein fesselndes Fundament für die geplante Fantasy-Trilogie und dürfte, trotz vereinzelter Kritik am Personal und der Detailarbeit, zahlreiche Märchenfans verzaubern.

Doreen B. - myFanbase
11.11.2015

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