Bewertung
Groh, Kyra

Tage zum Sternepflücken

Liebe ist ein bisschen wie Jazz: Manchmal muss man eben improvisieren...

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Inhalt

In Layla Wolls Leben nimmt die Zahl zwei eine gewichtige Rolle ein. Die 22-jährige Musikstudentin spielt das zweite Saxofon im Uni-Orchester und auch sonst ist sie es gewohnt, die Nummer zwei zu sein. Nachdem ihr Exfreund Ben ihr vor einiger Zeit den Laufpass gegeben und ein unschönes Gefühl hinterlassen hat, betritt nun Julius Herzsprung die Bühne ihres vollgepackten Lebens. Zeit für die Liebe hat sie ohnehin keine. Das Musical "Sweeny Todd" steht auf dem Probenplan und Layla hat mit der Organisation und den Assistenzarbeiten für ihren Uniprofessor Jochen Hecker genug zu tun. Blöd nur, dass Julius die Musicalhauptrolle ergattert (klar, er ist schließlich ein YouTube-Sternchen!) und mit Layla vor Beginn der Proben eine unvergessliche Nacht verbringt. Layla erlebt einen One-Night-Stand, der ihr am Morgen wieder einmal ihre Ersatzqualitäten vor Augen führt und an ihrem Selbstwertgefühl nagt. Da kommt gerade recht, dass ihre Mum Glücksseminare gibt und Rezepte für künftige Herzsprünge parat hat.

Kritik

Manche Menschen leuchten wie Sterne am Nachthimmel und erscheinen einem ebenso fern. In "Tage zum Sternepflücken" trifft die Musikstudentin Layla auf genauso ein Exemplar, nämlich in Form des YouTube-Singer/Songwriter-Stars Julius Herzsprung. Es genügen ein paar Drinks an der Bar, eine Nacht in Julius Bett, eine Offenbarung am Morgen und prompt wird Laylas zeitraubendes Studentenleben gehörig auf den Kopf gestellt. Wie die 22-jährige Saxofonistin eines Musicalorchesters dabei wieder einmal zur Zweitbesetzung mutiert und in ein heikles Freundschafts-/Liebesabenteuer stolpert, weiß die deutsche Autorin Kyra Groh mit reichlich Wortwitz, Tiefgang und authentischen Figuren zu erzählen.

Eigentlich beginnt diese New-Adult-Lovestory wie viele ihrer Gattung. Da ist diese Ich-Erzählerin, die sich in einen Typen verliebt, aber erst einmal zu sich selbst finden und stehen muss, bevor sie nach den Sternen greifen kann. Dieses Konzept mag im Liebesromanuniversum mitunter Langeweile hervorrufen, tut es in Kyra Grohs drittem Roman aber glücklicherweise nicht. Denn mit Layla und Julius treffen zwei Protagonisten mit Ecken und Kanten aufeinander, die einander anziehen und immer wieder abstoßen. Dass Julius in einer Beziehung feststeckt, die er (aus seiner Sicht) nicht beenden kann, macht die Sache überhaupt erst kompliziert – für die Charaktere und den Leser. Das Thema Fremdgehen wird in den Fokus gerückt und eingehend thematisiert. Julius# Beweggründe werden ebenso hinterfragt wie Laylas Rolle in dieser Dreiecksgeschichte, die im Grunde genommen (k)eine ist, weil die Betrogene im Hintergrund agiert und der direkte Kontakt mit Layla vermieden wird. Dennoch reicht es, um Julius Motivation ansatzweise nachvollziehen zu können. Männer und so!

Anfangs nimmt die Story noch leicht stereotype Züge an und spielt mit den genretypischen Klischees, was sich nicht zuletzt in Julius' Seifenopernnachnamen wiederspiegelt. Sein charismatisches Wesen löst regelmäßig Herzsprünge beim weiblichen Geschlecht aus, was hauptsächlich daran liegt, dass er verdammt gut aussieht und Gitarre spielen kann. Als YouTube-Star verkörpert er den modernen Womanizer, der keinesfalls frei von Fehlern ist und die Sonnen- wie Schattenseiten des Musikerdaseins durchlebt.

Layla wiederum ist eine junge Saxofonistin, die in Kody Keplingers Romanbestseller "Von wegen Liebe", hierzulande verfilmt unter dem Titel "Duff - Hast Du keine, bist Du eine!", ebenso gut die Hauptrolle übernehmen könnte. Sie ist das kumpelhafte Durchschnittsmädchen mit Hüftgold, in das man(n) sich eher auf den zweiten Blick verliebt. Sie ist klug, musikalisch begabt, schlagfertig und liebenswert. Trotzdem sitzt sie (freiwillig) auf der Reservebank in ihrem eigenen Leben und mimt den allzeitbereiten Hiwi für ihren Musikprofessor, die große Schwester für Bruder Nick und die Freundin mit gewissen Vorzügen für Julius. Da ist die Metamorphose nur eine Frage der Zeit.

Am Ende macht es sich die Autorin mit der Lösung zum möglichen Happy End ein bisschen zu einfach, indem plötzlich passend gemacht wird, was vorher partout nicht passen wollte. Der Weg dahin führt allerdings über ein tiefsinniges Gefühlskarussell aus Gewissensbissen, Schmetterlingen im Bauch und selbstbestimmten Entscheidungen, sodass am Ende ein passender Schuh draus wird. Es bleibt genügend Raum, in denen sich die Figuren annähern, raufen und entwickeln. Und über allem schwebt die Liebe zur Musik, Laylas sympathische Familie, in der das Glück großgeschrieben wird sowie Freunde, die nicht alles verstehen, was man tut, und nichtsdestotrotz immer ein offenes Ohr haben. Letzteres kann Layla bei dem aufkommenden Drama gut gebrauchen, da Kyra Groh selbst für Musiklaien ein klangvolles Notenspiel zwischen den Seiten kreiert, wenn Layla und Julius Tonleitern mit Charaktereigenschaften vergleichen oder an dem Studentenmusical "Sweeny Todd" mitwirken. Es werden laute, leise, bittere und freche Töne angeschlagen, die Wort für Wort am Verständnis, Humor und Herz des Lesers rütteln. Ebenfalls empfehlenswert: Die ungekürzte Hörbuchfassung, lebendig rezitiert von Carolin Sophie Göbel.

Fazit

Eine humorvolle, tiefsinnige und musikalische Liebesgeschichte, die man in ihren Grundzügen zu kennen glaubt, die von Kyra Groh aber authentisches Leben eingehaucht bekommt und das Thema Fremdgehen vielseitig beleuchtet. Am Ende ist nicht alles perfekt, trotzdem lohnen sich die Lesestunden zum Sternepflücken auf dem heimischen Sofa!

Doreen B. - myFanbase
09.04.2016

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