Bewertung
Süskind, Patrick

Der Kontrabaß

Dieses Buch ist eigentlich eine packende Liebesgeschichte: der 35-Jährige Hauptheld hat zwei Frauen in seinem Leben, den Mezzosopran Sara, in die er heimlich verliebt ist, und aber, das wie er es selbst ausdrückt "hässliche alte Weib": seine Mrs. Rochester, die ihn davon abhält, Sara anzusprechen, sein künstlerisches Ventil, sein – Kontrabaß.

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Das Buch

Er, ein "Beamter", ist hauptberuflich Orchestermusiker, lebt in einer Wohnung mit schalldichten Wänden, damit er immer üben kann, und scheint absolut stolz auf sein Leben zu sein. Am Anfang des Buches erklärt er erstmal, wie wichtig, wie fundamental und wie unersetzlich sein unhandlicher Kumpane ist.

Durch eine Reihe von überaus gut recherchierten Informationen rund um die Orchestermusik erklärt er lebhaft, dass jeder – die erste Geige, der Dirigent, die Celli – absolut aufgeschmissen wären, würde ihm nicht ein begabtes Team von Kontrabässen den Rücken freihalten.

Nachdem er aber seinen leicht trotzigen Vortrag beendet hat, wird er nachdenklich und erklärt dem erstaunten Leser, der bis jetzt die Art des Buches noch nicht durchschaut hat, dass sein Instrument eine wahre Katastrophe ist, dass es ihn gesellschaftlich, menschlich und auch sexuell nur behindert, zum Außenseiter macht. Es würde immer dastehen und ihn beobachten wenn er mit einer Frau "intim" werden will. Er müsste es immer wieder herumschleppen, die Saiten temperieren, damit es ja nicht zu hoch oder tief gestimmt ist. Er erklärt, dass er einsam und abgekapselt ist in seiner Wohnung mit den schalldichten Wänden.

Das Orchester wäre wie das wahre Leben: die Geigen hätten die Hauptrollen, der Dirigent würde alle bekommen, die er wolle, und die Kontrabässe- die würden ganz hinten stehen, begleiten und begleiten, immer nur begleiten, niemals gehört vom Publikum. Und, wie er hinzufügt, sein größtes Problem wäre seine eigene Sicherheit. Ein Kontrabass würde niemals aus dem Orchester fliegen, nie. "Manchmal fühle ich mich so sicher, dass ich mich kaum noch auf die Straße traue", sagt er einmal.

Er beschließt, in der heutigen Aufführung "SARA!" zu rufen. Es wäre ein niemals da gewesener Skandal, er würde aus dem Orchester geworfen werden und es wäre das Sprungbrett zu Saras Karriere. Er verabschiedet sich mit den Worten: "Nun gehe ich. Vielleicht lesen sie ja morgen in der Zeitung von mir." Woraufhin es dem Leser das Herz bricht, denn man weiß genau: Man wird nichts in der Zeitung lesen.

Kritik

Die recht verzweifelte Hassliebe zwischen ihm und seinem Instrument, manchmal unterbrochen von seiner Schwärmerei für Sara, zusammen mit der schrecklichen Erkenntnis der eigenen Sinnlosigkeit des Seins ( "Keiner hört mich!" ) machen den Kontrabaß zu einem unglaublichen Leseerlebnis, das einen dazu bringt, jeden Orchestermusiker zu bemitleiden. Es ist eine etwas traurigere Reise durch die Orchestermusik, zusammen mit einem Menschen, der nur einmal gehört werden will.

Sophia - myFanbase
11.06.2006

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