Bewertung
Draper, Sharon M.

Out of my Mind: Mit Worten kann ich fliegen

"Ich habe noch nie ein einziges Wort gesprochen. Ich bin fast elf Jahre alt."

Foto: "Out of My Mind - Mit Worten kann ich fliegen" von Sharon M. Draper - Copyright: S. Fischer Verlag GmbH
"Out of My Mind - Mit Worten kann ich fliegen" von Sharon M. Draper
© S. Fischer Verlag GmbH

Inhalt

Melodys Leben wurde schon immer von Worten begleitet. Für sie ist jedes Wort einzigartig, zerbrechlich und bedeutsam. Sie umgibt sich gerne mit ihnen, allerdings sind sie nur in ihrem Kopf, da das elfjährige Mädchen in ihrem Leben noch keines dieser aus eigener Kraft gesprochen hat. Somit wissen die meisten in ihrem Umfeld auch nicht, wie intelligent und begabt sie eigentlich ist. Erst ein Sprachcomputer ermöglicht es ihr, mit der Außenwelt zu kommunizieren und zu zeigen, was in ihr steckt. Doch kommen die einzelnen Personen auch damit zurecht oder muss Melody sich weiterhin behaupten?

Kritik

Manchmal ist es komisch, dass man so lange braucht, um auf ein Buch aufmerksam zu werden, das bereits 2010 in den USA erschienen ist und über 80 Wochen in der Bestseller-Liste der New York Times verweilt ist. Genauso war es aber bei mir und zwar bei dem Buch "Out of my Mind: Mit Worten kann ich fliegen". Hierzulande erschien es aber erst 2016 im Fischer Verlag. Hat mir auch nichts genutzt, da ich erst durch einen Trailer von Disney+ darauf aufmerksam geworden bin, da im November 2024 die Adaption beim Streamer erscheint. Durch Kommentare bei YouTube habe ich erst einmal erfahren, dass es ein Buch von Sharon M. Draper gibt bzw. eine ganze Trilogie, wobei die anderen zwei Bücher hier noch nie erschienen sind. Die Kommentare haben so viel Begeisterung ausgedrückt, dass ich dieses auch unbedingt lesen wollte.

Durch den Trailer wusste ich natürlich schon, dass die Protagonistin Zerebralparese hat und an den Rollstuhl gefesselt ist und auch nicht sprechen kann. Ja, umso interessanter fand ich das Buch schon, bevor ich es überhaupt in meinen Händen hatte. Melody hat zwar keine hörbare Stimme, aber eine in ihrem Kopf. Schon als ich kurz danach den Klappentext gelesen hatte, hatte ich schon eine Ahnung, warum es solch große Beliebtheit in den USA und anderen Ländern hat. Ich glaube, es war "Der Löwenzahnjunge" von Karen Kingsbury, welches sich mit einer ähnlichen Thematik befasst hat, aber nicht in der Perspektive des Protagonisten geschrieben worden ist. Draper hat es sich zur Aufgabe gemacht, aus der Sicht der Protagonistin zu schreiben und schon jetzt kann ich sagen: Es ist ihr absolut gelungen!

Es hat nicht einmal ein Kapitel gedauert und ich habe Melody nicht nur sympathisch gefunden, ich habe sie ins Herz geschlossen. Ein Mädchen, das in ihrem eigenen Körper gefangen ist und doch so viel zu sagen hat, aber keine richtige Möglichkeit bekommt, das zum Ausdruck zu bringen, weil sie sich nicht sprachlich artikulieren kann. Dennoch hat man beim Lesen bemerkt, wie viel Energie in Melody steckt, wie viel Wissen, das raus will, wie viel Lebensfreude in ihr steckt.

Die Autorin hat einfache Worte und Sätze benutzt, die aber unglaublich viel Tiefgang und Emotionen hervorrufen, von denen man an manchen Stellen durchaus überrumpelt wird. Man wird ganz automatisch und wie selbstverständlich in Melodys Lage versetzt, bei der man schnell das Gefühl bekommt, man habe dieses Mädchen mit all dem, was sie ausmacht, adaptiert. Daher hier auch schon mal ein riesiges Lob und Kompliment an die Autorin, denn es sind eigentlich völlig simple Worte, die zu Sätzen werden und die es schaffen – zumindest bei mir – Bilder im Kopf entstehen zu lassen, die ich durch Melodys Augen sehen kann. Und Draper schafft es, wie schon gesagt, spielend leicht, dass man beim Lesen tatsächlich jede Emotion miterlebt, die entweder Melody selbst erlebt oder die man durch bestimmte Sätze selbst verspürt. Durch Melodys Krankheit wird sie extrem schnell abgestempelt. Abgestempelt dumm zu sein, was sich auch leider wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht und mit mehreren Beispielen belegt, dass es eigentlich die Gesellschaft ist, die die Dummen sind und nicht die Person, die 'einfach' nur im Körper gefangen ist und die wahrscheinlich mehr Empathie hat, wie manch anderer, der einen Körper hat, bei dem (soweit) alles funktioniert. Auch darauf wird Bezug genommen und es war wunderbar zu lesen, dass Melody eine großartige Balance zwischen Ernsthaftigkeit, Humor, Sarkasmus und Ironie hat. Ich glaube, besonders die letzten drei Dinge sind von enormer Wichtigkeit, um mit gewissen Situationen zurechtzukommen, besonders wenn man in einer Welt leben muss, die einem alles noch mehr erschwert.

Melody hat tolle Eltern, die einem schnell sympathisch werden und trotzdem ist es eine andere Person, die man genauso schnell ins Herz schließt, wie man es bei Melody selbst schon getan hat. Es ist eine Person, die das Mädchen schon sehr lange kennt, die sie körperlich und geistig in einer positiven Weise fördert. Immer an sie glaubt und vor allem Melody wie einen normal denkenden Menschen behandelt. Es ist eine ganz besondere Freundschaft, die man dem Mädchen von ganzem Herzen gönnt, gerade weil man im Verlauf des Buches miterleben muss, dass es nicht die Mitschüler sind, die sich als wahre Freunde auszeichnen, sondern eher die Erwachsenen. Es sind zwar auch die Eltern, zu denen Melody auch ein gutes Verhältnis hat, dennoch merkt man auch hier, dass Melody emotional und von ihren Gedanken her ein ebenso normaler Mensch ist, die andere Personen in ihrem Leben braucht, denen sie Dinge anvertrauen kann. Und es ändert auf jeden Fall die Perspektive auf Menschen, die eine körperliche Einschränkung haben.

Ich hatte ja schon gesagt, dass die Autorin mit simplen Worten und Sätzen es schafft, einen emotional und bildhaft auf eine Reise mitzunehmen und obwohl ich es nicht sonderlich mag, wenn Bücher, Filme und Serien noch einen deutschen Beititel verpasst bekommen, muss ich sagen, dass ich 'Mit Worten kann ich fliegen' sehr treffend gewählt finde. Ich selbst finde Worte auch wichtig und dass viele von ihnen besonders sind, da sie eine Bedeutung haben und manche von ihnen mehr über Menschen aussagen, als man vielleicht denkt. Auch das Cover finde ich ziemlich aussagekräftig, obwohl es so schlicht gehalten worden ist. Es hat zwar auch eine enorme Bedeutung im Buch, allerdings fiel mir dazu ein, dass ein Fisch auch enorme Kraft braucht, um aus dem Glas 'ausbrechen' zu können und Melody bzw. auch Worte brauchen Kraft, um etwas zum Ausdruck zu bringen.

Fazit

"Out of my Mind: Mit Worten kann ich fliegen" ist ein Buch, welches sich nicht umsonst so lange in den Bestseller-Listen gehalten hat und in den Köpfen und Gedanken bleiben wird. Sharon M. Draper ist ein schriftliches Meisterwerk auf 320 Seiten mit 33 Kapiteln gelungen, was eigentlich zur Schullektüre werden sollte und es ist vielleicht sogar das beste Buch, was ich in meinem bisherigen Leben gelesen habe. Es beweist, dass man mit Worten wichtige Botschaften vermitteln kann, die einen mitten ins Herz treffen. Daher eine ganz klare Empfehlung.

Daniela S. - myFanbase
08.11.2024

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