Bewertung

Review: #5.01 Bisou (1)

Foto: Jessica Paré, Mad Men - Copyright: Ron Jaffe/AMC
Jessica Paré, Mad Men
© Ron Jaffe/AMC

Hinweis an alle Leser: Da die Staffelpremiere über zwei Episoden ausgestrahlt wurde, die auch inhaltlich eine Einheit bilden, bezieht sich diese Review sowohl auf Episode #5.01 A Little Kiss (1), als auch auf #5.02 A Little Kiss (2). Zum zweiten Teil der Review gelangt ihr, wenn ihr unten dann auf "Nächste Review" klickt.

Eines muss vorneweg gesagt werden, bevor wir uns im Detail mit dem Auftakt der 5. Staffel von "Mad Men" auseinandersetzen: Es ist großartig, endlich wieder neue Folgen der Serie ansehen zu dürfen. 17 lange Monate ist das Ende von #4.13 Tomorrowland her und manchmal kam es einem wie eine Ewigkeit vor, dass man etwas von Don, Peggy, Pete oder Joan gehört hat. Aber trotz dieser langen Pause hat sich die Serie sofort wieder in mein Bewusstsein gespielt und mit Leichtigkeit ihren Platz ganz oben auf der Liste der besten Dramen bestätigt. Es gibt einfach keinen Zweifel daran, ob und warum die so wenig gesehene, aber hoch gelobte Serie ihre Ausnahmestellung verdient hätte. Nein, "Mad Men" ist das Beste was das amerikanische Fernsehen aktuell zu bieten hat und das scheint sich so schnell nicht zu ändern.

Im Mittelpunkt dieser beiden Episoden stand eindeutig die wohl kontroverseste Figur aus der vorhergehenden Staffel. Als Don damals (in der Serie sind seither wohl um die neun Monate vergangen) spontan um die Hand seiner jungen Sekretärin Megan anhielt, hat dies für einen ordentlichen Aufruhr in Fankreisen gesorgt. Die Reaktionen reichten von positiver Überraschung, bis hin zu absolutem Entsetzen, ob Don denn wirklich nichts aus seinen vergangenen Fehlern gelernt hat. Es wurde spekuliert und auch oftmals einfach gespeckert, was dies für die Serie bedeutet. Matthew Weiner hat aber wieder einmal mit spielerischer Leichtigkeit bewiesen, dass es auf diesem Niveau der Qualität nicht darauf ankommt, was passiert, sondern wie man es umsetzt. Megan ist mittlerweile seit einigen Monaten Mrs. Draper. Sie arbeitet als Texterin in der Agentur unter Peggys Aufsicht und sie hat sich mit dieser Folge fest im "Mad Men"-Universum etabliert. Der Fokus liegt hier zu einem großen Teil auf der jungen Frau, die so etwas wie eine Übergangsfigur zwischen der jungen und der alten Generation darstellt. Sie ist dabei weder besonders naiv oder unschuldig, aber sie gehört auch klar nicht mehr der von Zynismus und dem äußeren Schein geprägten Generation ihrer Kollegen an. Sie legt einen offenen und ehrlichen Lebensstil an den Tag, profitiert aber dennoch ohne schlechtes Gewissen von ihren Vorteilen, die ihr die Ehe mit Don gewährt. Sei es das schicke, moderne New Yorker Apartment, die neuen Designerklamotten, oder ihre berufliche Position, die sie im Gegensatz zu Peggy einfach so erhalten hat.

I thought you really wanted it

Dennoch ist sie keine simple Opportunistin, sie liebt Don ehrlich und von ganzem Herzen, sie versucht ihren Job gut zu machen und sich die ihr gebotenen Chancen auch zu verdienen. Besonders interessant ist hier ihre Interaktion mit Peggy, die ihre Vorgesetzte ist (ich nehme an, Peggy hat momentan bei Sterling Cooper Draper Pryce in etwa die Position des Creative Directors inne, wie Don sie bei Sterling Cooper am Anfang der Serie verkörperte), die sie aber eben von oben vorgesetzt bekommen hat. Diese Konstellation bietet unheimlich viele Möglichkeiten, die Position einer solchen modernen Frau zu untersuchen. Und dann ist da natürlich noch die komplizierte Beziehung zu Don, denn egal wie verliebt und wie einfach dieses neue Paar auf den ersten Blick erscheinen mag, unter der Oberfläche schlummert die gleiche Menge an Problemen wie seit jeher bei Don.

Dabei muss man natürlich über das Kernstück des Konflikts sprechen, Megans Performance von "Zou Bisou Bisou" für Don vor den Augen seiner Kollegen und Freunde. Diese Darbietung funktioniert dabei auf mehreren Ebenen als wichtiges Element für diese Episode. Sprechen wir zuerst über die äußere Wirkung, denn "Mad Men" hat es wieder einmal geschafft, einen Moment direkt für die Analen der TV-Geschichte zu schaffen. Jeder hat am Tag nach der Ausstrahlung darüber geredet, überall tauchten Geschichten über den Song auf (das Original stammt von Gillian Hills und schaffte es 1961 in der Version von Maya Casabianca zu einem mittleren Hit in Frankreich und Kanada; die Amerikaner kennen das Lied aber wohl eher aus einer englischen Version von Sophia Loren) sowie Interviews mit Jessica Paré über die Performance und jeder, der die Episode gesehen hat, hat wahrscheinlich mindestens noch eine Woche lang einen Ohrwurm namens "Subisubisu" im Kopf (wobei bei den meisten hoffentlich nicht der sächsische Dialekt den französischen Zungenschlag überlagert). Und egal, wie man die Intentionen und Wirkungen von Megans Performance einschätzt, keiner wird wohl bezweifeln, welche Bedeutung diese für die Serie, aber vor allem wohl für Jessica Parés Karriere haben wird. Das Selbstbewusstsein und die ehrliche Begeisterung, mit dem sie den Song vorträgt, macht sie zu einem potentiellen Star, da müssen sich January Jones und Jon Hamm wohl warm anziehen. Die Zuschauerreaktionen reichten dabei von ehrlicher Begeisterung bis zu tiefem Fremdscham, und diese Arten waren offensichtlich so geplant, denn sie spiegeln genau die vielen Reaktionen der anwesenden Partygäste wider.

I saw his soul leave his body

Was aber haben wir von Megans Absichten dahinter zu halten? Sowohl die Idee zu einer solchen Überraschungsgeburtstagsparty, als auch die zu diesem speziellen Geschenk, sprechen zutiefst gegen Dons Charaktereigenschaften. Er empfindet diese öffentliche Zurschaustellung seines Privatlebens und seines Sexlebens als enorm unangenehm, und eigentlich muss man ihn nicht wirklich arg gut kennen, um diese Reaktion vorherzusehen. Warum denkt sie dennoch, es wäre eine gute Idee? Leben die beiden wirklich in einer solchen Blase der frischen Verliebtheit, dass solche fundamentale Irrtümer auftauchen müssen? Meine Interpretation der Situation nach den hier gegebenen Indizien ist die, dass Megan vielleicht durchaus ahnt, dass dies nicht Dons Charakter entspricht. Aber es entspricht ihrer Art und sie möchte sich nicht einfach so vollkommen Dons Lebensstil anpassen. Wenn sie zu Peggy sagt: "What is wrong with you people? You're all so cynical. You don't smile, you smirk.", dann spricht sie aus tiefstem Herzen und sie hat Recht damit. Andererseits weiß sie durchaus, wie sie ihren Mann zu nehmen hat, wie sie später in der von Machtspielen durchdrungenen Demonstration ihres Ärgers, mittels aggressiven Sexputzens, beweist. Und wir als Zuschauer bleiben voller Rätsel über diese Beziehung zurück, so wie es sein muss. Denn wo wäre der Spaß dabei, wenn wir jetzt schon genau wüssten, woran wir sind?

Aber trotz all dieser Fragen über den Zustand der zweiten Draper'schen Ehe, sind wir als Zuschauer doch mittlerweile so sehr vertraut mit dieser Beziehung, oder zumindest mit dem immer noch rätselhaften, aber durchaus vertrauten Gemütszustand dieses Mannes, dass wir die vielen Parallelen zu Dons Liebesleben in anderen Figuren sehen. So stellen Roger und Jane, in all ihrer Verbitterung und der Erkenntnis, den falschen Partner geheiratet zu haben ("Why don't you sing like that?" – "Why don't you look like him?") Dons potentielle Zukunft dar. Die Frage ist nur, ob diese unausweichlich ist oder eben noch abgeändert werden kann. Denn eines der Leitthemen von "Mad Men" ist ja, dass bei all den Veränderungen, die die Menschen durchleben, sie dennoch immer wieder bei ihren vorherigen Schwächen und Unzulänglichkeiten ankommen. Dons Vergangenheit wird hier von Pete und Trudy repräsentiert, die mittlerweile in der Vorstadt leben und deren Haus wohl nicht zufällig der alten Draper-Residenz enorm ähnelt. Solche Dinge sind bei "Mad Men" niemals zufällig, denn ein beträchtlicher Teil der Geschichte wird eben über die Details im Hintergrund erzählt.

Cindy Scholz - myFanbase

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