Zeitgeist

Symbolik hin oder her, bereits im Vorfeld müssen sich die Pumpkins den Vorwurf der Abzocke gefallen lassen, denn ihr neues Album verbreiten sie gleich in drei verschiedenen Versionen – der Standardversion, der Limited Edition und der Amazon-Exklusiv-Version. Zudem wurde kräftig die Werbetrommel gerührt. Nanu, glauben die Herren (und die neue Dame) etwa nicht, dass sich das Album auch so verkaufen würde?

Solche Befürchtungen lassen sich schon beim ersten Reinhören in die CD in den Wind schlagen. Denn wie schon die Single-Auskopplung "Tarantula" kann auch der Opener "Doomsday Clock" den Zuhörer davon überzeugen, dass der Alt-Meister Billy Corgan nichts von seinem Rockhandwerk verlernt hat. Beide überzeugen durch Kraft und Energie, die an die Kultsongs "Zero" und "Bullet with Butterfly Wings" (beide auf der "Mellon Collie and the Infinite Sadness" zu finden) erinnern.

Gleich an zweiter Stelle wird mit "7 Shades of Black" ein weiterer hervorragender Alternative-Rock Song mit Hitpotential hinterhergeschoben, der auch in Zukunft die gefüllten Hallen bei Konzerten zum beben bringen wird. "Bleeding the Orchid" schlägt andächtigere Töne an und schließt das begeisternde Eröffnungstrio der CD ab. Neben dem, auf Smashing Pumpkins Alben obligatorischen, Epos-Song ("United States") der in knapp unter zehn Minuten schnicke Rock-Lines aneinander reiht, finden sich auch andere solide Pumpkins-typische Songs wieder (so zum Beispiel mein persönlicher Favorit, der in Berlin aufgenommene "Neverlost").

Doch wie es nun einmal bei Reunion-Alben so ist, bringt auch diese CD nicht nur Positives mit sich. In vielen Songs fällt auf, dass man sich beim Mischen des Albums ein wenig zu sehr in Effekt-Spielereien verliebte und dadurch einigen Songs ein wenig ihr Rockherz nahm. Zudem erinnert "That's the Way (My Love Is)" mit seiner Mischung aus nachdenklichem Gesang und Sommer-Feeling-Musik stark an Zwan, das ehemalige Projekt Billy Corgans und des Schlagzeugers Jimmy Chamberlain. Leider wartet auch dieses Album wieder mit Enttäuschung auf: "For God and Country" konnte mich beim Konzert der Band in Berlin als Akustikversion noch begeistern, doch findet es sich auf "Zeitgeist" als überelektronisches, fast schon nach Midi-Sounds klingendes Erinnerungsstück an Billy Corgans katastrophales Soloalbum wieder. Eine Akustikgitarre und Billy Corgan, mehr bräuchte dieser Song nicht – sehr schade.

Dennoch gelingt es den Smashing Pumpkins mit "Zeitgeist" hervorragend ihre Wiedervereinigung zu feiern. Leider kommt das Album in Sachen Genialität nicht an die legendären Platten "Siamese Dream" oder "Mellon Collie and the Infinite Sadness" heran, doch es reiht sich mit vielen überzeugenden Songs und einigen sehr ausgefeilten Gitarrenspielereien in die Top-Alben dieses Jahres und in meine nun endlich wieder wachsende Smashing Pumpkins Kollektion ein. Für Pumpkins-Fans ist sie ein Muss und für alle anderen, die sich mit Billy Corgans Stimme anfreunden können, ein wirklich hervorragendes Album voller Kraft und Energie und mit nachdenklichen Momenten.

Anspieltipps:

Bleeding the Orchid

Doomsday Clock

Neverlost

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