Bewertung
PJ Harvey

White Chalk

Bei allem Respekt vor PJ Harvey (und den habe ich eigentlich wirklich), sich bei ihrem neuen Album nur auf nymphengleichen Gesang und das ach so mystische Klavier zu verlassen, war eine selten schlechte Idee – mindestens so schlecht wie die des Cover-Artworks: Das Bild der derart entrückten Polly Jean, die in ihrem weißen Kleid mit sämtlichen Problemen der Welt konfrontiert zu sein scheint, entfremdet eher und macht nicht wirklich neugierig auf die Platte.

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Wer den Versuch dennoch wagt, wird mit im Grunde recht hübschen Melodien und Klaviertönen empfangen – aber der Haken lässt nicht allzu lange auf sich warten: Irgendjemand muss ihr die Flausen in den Kopf gesetzt haben, dass ein besonders hoher Gesang künstlerisch ungemein wertvoll ist und den Musiker selbst in mystisches Licht taucht. Anders ist es nicht zu erklären, warum PJ Harvey Song für Song auf der Tonleiter höher und höher klettert, als gäbe es einen Wettbewerb zu gewinnen – dass ihr dabei langsam aber sicher die Sauerstoffzufuhr zu knapp wird, sprich die Stimmer immer dünner klingt, scheint dabei gleichgültig zu sein, hohe (im wahrsten Sinne des Wortes) Kunst stellt man ja nicht in Frage.

Vielleicht sollen die Stücke ja auch wirklich extra geheimnisvoll, zart und wiederum mystisch sein – aber irgendwann beginnen einem die seltsam nebulösen Verhältnisse und das beschwörende Gesäusel tierisch auf den Geist zu gehen; beim letzten Stück "The Mountain" angelangt, stellt sich jedes einzelne Haar auf, als Harvey (vorher noch als unbeholfener Björk-Verschnitt) im treibenden Finish wie eine Sirene loskreischt und heult, als gäbe es kein Morgen mehr, als würde sie ihren Verstand verlieren, als wolle sie sich selbst von ihrer eigenen Musik lossagen.

Dieses Stück ist auch das einzige, das auf sich aufmerksam macht, wenn man das Album nebenbei laufen lässt: Die Songs verblassen mit der Zeit und schließlich vergisst man, dass die CD noch läuft – bis zu dem letzten großen Aufschrei eben, der dafür eine fast traumatisierende Wirkung hat.

Konzentriert man sich voll und ganz auf die Musik, so erkennt man sehr wohl, dass sich hinter vielen Stücken gute Melodien verstecken (instrumental wäre das Album durchaus ansprechender), aber wenn Harvey hinter ihrer gläsernen Wand zum Gesang ansetzt und mit jeder Oktave ein weiterer Sprung entsteht, bis beim Finale (nach zum Glück nur einer halben Stunde) alles berstet und zerschellt, bleibt nur noch eines: Um Himmels Willen, Polly Jean, nimm beim nächsten Mal wieder die Gitarre in die Hand!

Anspieltipps

Ich könnte an dieser Stelle nur "Weghörtipps" geben, also entziehe ich mich lieber der Verantwortung.

Tracks

1.The Devil
2.Dear Darkness
3.Grow Grow Grow
4.When Under Ether
5.White Chalk
6.Broken Harp
7.Silence
8.To Talk To You
9.The Piano
10.Before Departure
11.The Mountain

Stephanie Stummer - myFanbase
20.11.2007

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