Boy (Remastered, Deluxe Edition)

Mit den Worten "A boy tries hard to be a man, his mother takes him by the hand" macht Bono im Opener "I Will Follow" sogleich deutlich, dass sich auf "Boy" nahezu alles um den komplizierten Prozess des Erwachsenwerdens dreht. Das rasant vorwärts treibende Schlagzeug- und Gitarrenspiel seiner Bandkollegen geht dabei mit raffiniert eingesetztem Glockenspiel einher, was einen gleichermaßen verblüffenden wie faszinierenden Kontrast entstehen lässt, der im Laufe des Albums immer wieder auftaucht und die Zerrissenheit und jugendliche Verwirrtheit der Lyrics in gewissem Maße auch musikalisch widerspiegelt.

"Twilight" schlägt mit Zeilen wie "My body grows and grows, it frightens me, you know" und pulsierendem Bass im Wesentlichen in die gleiche Kerbe, grenzt sich von seinem wahrlich imposanten Vorgänger lediglich durch Bonos exaltierten Gesang ab. In den nächsten beiden Songs weichen die unwiderstehlichen Hooks jedoch zunehmend düsteren Gitarrensounds, die vielleicht sogar ein leichtes Gothic-Feeling aufkommen ließen, wäre da nicht das filigrane Glockenspiel, das die Atmosphäre (schon wieder!) auf so wundervolle Weise aufzuhellen weiß.

"Out of Control" zieht das Tempo wieder deutlich an und läutet eine ganze Reihe von Songs mit eingängigem Singalong-Refrain ein, die sich in der zweiten Albumhälfte regelrecht die Klinke in die Hand geben. Lediglich das schwebende "The Ocean" sticht mit seinen melancholischen anderthalb Minuten aus der epischen Masse heraus; ansonsten dominieren prägnante Riffs und peitschende Rhythmen die für U2 mittlerweile so typischen Klanglandschaften. Selbst der letzte Track "Shadows and Tall Trees", der zur Abwechslung mal auf akustische Gitarren setzt und dadurch zunächst fast balladesk erscheint, gerät aufgrund äußerst präsenter und mitreißender Percussion sowie Bonos stechendem Gesang immer mehr zu einer waschechten Mitsing-Hymne.

Auch wenn die Jungs von U2 damals also tatsächlich noch verunsicherte Teenager waren, so hatten sie dennoch große Ambitionen, die sie in ihrer Musik lautstark zu erfüllen suchten. Durch anschwellende Gitarren und treibende Drums erschafften sie auf ihrem Debüt gewaltige Soundgebilde, die sie nur wenige Jahre später dorthin bringen sollten, wo derartige Hymnen wie "Stories for Boys" nun mal hingehören: in die großen Stadien dieser Welt.

Fazit

"Boy" fegt mit seinen epischen Post-Punk-Stücken, die vor jugendlicher Energie nur so strotzen, wie der frische irische Wind durch die Gehörgänge und lädt U2-Kenner und -Neulinge gleichermaßen auf eine musikalische Zeitreise in die frühen Achtziger ein. Die neu aufgelegte Deluxe Edition bietet Hardcore-Fans darüber hinaus noch eine Bonus-CD mit insgesamt 14 weiteren Titeln, die bisher unveröffentlichte Studio- und Liveaufnahmen sowie diverse andere Raritäten umfassen - also alles, was das Sammlerherz begehrt.

Anspieltipps

I Will Follow

Twilight

Stories for Boys

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