Bewertung
Calexico

Carried To Dust

Nach dem Abstecher bei "Garden Ruin" in musikalische Regionen, die für Calexico eher untypisch sind und bei dem genau auf die Zutaten verzichtet wurde, die den Reiz an ihrer Musik ausmachen, reagierte man auf die Nachricht eines neuen Albums noch mit verhaltener Freude – bis man schließlich zum ersten Mal das Cover zu Gesicht bekam: Dieses führt die Reihe der bisherigen Artworks weiter, das beim letzten Album unterbrochen wurde. Stellte sich nur noch die Frage, ob die Musik ebenfalls wieder in alter Tradition weitergeführt wird?

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Erleichtertes Aufatmen folgt schon nach den ersten Tönen von "Victor Jara's Hands" – verstaubte Wüsteninstrumente, ein treibender Rhythmus und die hübschen Mariachi-Bläser verschmelzen zu dem Sound, den man mit Calexico assoziiert. Während der Refrain bereits alles gibt, um eingängig zu sein, scharren die Bläser derweil nur in den Startlöchern, um sich dann bei späteren Nummern so richtig auszutoben.

Das folgende "Two Silver Trees" kommt sehr verspielt und weich daher, Joey Burns flüstert einem zart ins Ohr und schwingt sich zu einem berührenden Refrain auf – eine wollig-wohlige Klangpalette, die aber mit dem spröden Stil der Band nicht mehr so viel zu tun hat; da hatte jemand wohl kurzfristig der Kargheit und dem Staub den Kampf angesagt.

Dieses kleine Hin und Her bleibt auch über den Rest des Albums erhalten: Ganz in die alte Sparte wollen sie sich wohl doch nicht mehr so gerne stecken lassen – ab und zu treiben die einzelnen Songs in zu viele verschiedene Richtungen gleichzeitig, ohne sich festzulegen.

Die, bei denen es so schön knarrt, das Schlagzeug hallt und scheppert, der Wüstenwind um die Ohren saust, der Sand aufgewirbelt wird, das sind immer noch die besten – "Writer's Minor Holiday" und das überaus famose "Trigger (Revisited)" sind Paradebeispiele dafür. Besonders letzteres würde sich wieder ganz toll in einem Western machen – die Instrumente, allen voran die heißgeliebten Bläser, übernehmen das Sagen, erfüllen die flimmernde Luft und kämpfen gegen die gleißende Sonne an.

Endgültig wird dem Staub in "Inspiracion" ade gesagt: Ein heißer Rhythmus fegt das letzte Staubkörnchen von der Tanzfläche – spanische Gastsänger lassen sofort ein leidenschaftliches Bild im Kopf entstehen, Urlaubsphantasien inklusive.

Der zweite Schwerpunkt, der sich dem Hörer auftut, sind die Gefühle – die schönsten Refrains und Duette findet man eindeutig auf diesem Album. Sei es bei "House of Valparaiso", bei dem Sam Beam den ergänzenden Part gibt und sich die Bläser nur dezent im Hintergrund halten, oder bei "Slowness", das von Pieta Browns Gesang noch perfekt abgerundet wird, oder im geflüsterten Alleingang – die Texte finden schnell einen Weg ins Herz. Auch die Musik ist besonders sorgfältig und ausgeklügelt arrangiert und angeordnet – dies geht manchmal natürlich zu Lasten des alten, kargen Calexico-Sounds und lässt alles etwas kompakter und voller erscheinen.

Mit dem Gesang von Joey Burns lässt sich ja ebenfalls eine Menge anstellen: Geheimnisvoll begleitet er "Hole In Your Head", gefühlvoll leidet er in "Red Blooms", im abschließenden "Contention City" kommt seine Stimme nur mehr von weit, weit her. Das Charakteristischste ist aber sein ständiges Flüstern, manchmal sogar Hauchen, das den Songs noch eine zusätzliche Atmosphäre verleiht.

Fazit

Bei den ersten paar Malen ist mir das Album nicht besonders aufregend vorgekommen, es schien mir irgendwie zu vage zu sein. Als ich es mir wirklich bewusst zu Gemüte geführt habe, habe ich mich genau in ein paar kleine, unauffällige Einzelheiten verliebt - die wie immer scheppernden Drums, das altbewährte Kopfkino, der flüsternde, nahe gehende Gesang. Die Songs sind nicht anbiedernd oder aufdringlich, wodurch sie manchmal etwas unterzugehen drohen – dennoch ist es Calexico gelungen, ihren ganz typischen Sound mit der Gefälligkeit und den Gefühlen von "Garden Ruin" zu vermischen, und dabei authentisch zu bleiben. Der ganz große Wurf ist ihnen vielleicht nicht gelungen – aber womöglich diesmal eine Weiterentwicklung, die sowohl für Musiker, als auch für Fans Sinn macht.

Anspieltipps

Victor Jara's Hands

House of Valparaiso

Trigger (Revisited)

Artistpage

CasadeCalexico.com

Tracks

1.Victor Jara's Hands
2.Two Silver Trees
3.The News About William
4.Sarabande
5.Writer's Minor Holiday
6.Man Made Lake
7.Inspiracion
8.House Of Valparaiso
9.Slowness
10.Hole In Your Head (Bend In The Road)
11.Trigger (Revisited)
12.Tornado Watch
13.Falling From Sleeves
14.Red Blooms
15.Contention City

Stephanie Stummer - myFanbase
19.09.2008

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