Bewertung
Polarkreis 18

The Colour Of Snow

Weiß. Die Farbe des Schnees ist weiß – so einfach ist das. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, was es mit einem Albumtitel auf sich hat, der durch seine assoziierte Berechenbarkeit beinahe belanglos wirkt. Wäre da nicht das erfrischende, dank des choralen Refrains im wahrsten Sinne vollmundige "Allein Allein", das auch diejenigen, an denen das 2007er Debüt spurlos vorrüberging, Appetit macht auf mehr. Die deutschen Indieaner empfingen Polarkreis 18 im letzten Jahr mehrheitlich mit offenen Armen, weil sie ziemlich anders klangen als alles, was man bislang aus deutschen Landen kannte.

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Weiß, weiß, weiß sind alle meine Kleider. Weiß, weiß, weiß ist alles, was ich hab'. Und was ich trag' und was ich sag' – betrachtet man das offizielle Video zur ersten Single, ist man wenig überrascht. Die Band serviert einem genau jene Bilder, die sich beim Hören von "Allein Allein" ins Bewusstsein schleichen: Raues, weites Land, Wasser, Berge umweht von kühlem Wind. Schnee und Eis – wie es Bandname, Albumtitel und auch beide bisherigen Album-Cover bereits erahnen lassen. Die fünfköpfige Dresdner Band um Sänger Felix Räuber scheint sich mit blau angelaufener Haut und eiszapfenbehaftetem Haar der frostigen Jahreszeit verschrieben zu haben.

Da überrascht es nicht, dass ein wesentlicher Teil von "Allein Allein" bereits vergangenen Winter zustande kam. Die auf dem Song zu hörenden Stimmen gehören all den Leuten, die sich zur Weihnachtszeit beim Konzert in Dresden zum Publikum zählen durften. Genau genommen haben also nicht nur fünf, sondern Tausende kürzlich gemeinsam eine Single auf den Markt gebracht, die nicht nur alle seinerzeit im Dresdner Schlachthof Anwesenden bezaubern dürfte. Eine ganze Nation rieb sich den Sand aus den Augen, und sperrte interessiert seine Lauscher auf, als "Allein Allein" ward losgelassen.

Selten hat man beobachten können, dass sich die Leute in dermaßen lyrische Rage reden und in poetische Höhen aufschwingen, wie bei dem Versuch, die Musik von Polarkreis 18 zu beschreiben und einzusortieren. Denn die findet man nicht an jeder Ecke, sie wird einem nicht von jedem zweiten Chartplatz aus servierfertig zugeworfen, und das ist sowohl der größte Vorteil, als möglicherweise auch Nachteil. Was neu ist oder verboten, weckt das Interesse, und da Polarkreis 18 erst jetzt von der breiten Masse wirklich wahrgenommen werden, schlägt nun ihre Stunde: Die Menschen reden über das Quintett, das sein ganz eigenes Ding macht. Durch all die Synthesizer bisweilen etwas steril wirkt ihr Werk, so recht zünden will der Stil im Langspielformat nicht. Mit "Allein Allein" ist die reizvollste Nummer bereits bekannt, die Munition bereits verschossen. Mit einer Folge-Single wird man es sich gefallen lassen müssen, dass der direkte Vergleich gezogen wird und es muss damit gerechnet werden, dass alles Weitere den Kürzeren zieht. Vergleichsweise klein ist da die Chance, angefixte Hörer mit Stöcken und Steinen zum Bleiben zu bewegen, geschweige denn süchtig zu machen nach all dem, was Polarkreis 18 ist, bedeutet und vertont.

Fazit

Keine Frage: Polarkreis 18 bewegen sich auf handwerklich hohem Niveau. Nicht wenige werden ihre Wurzeln im Ausland, vielleicht irgendwo im Norden, vermutet haben. Und für eines können sich alle Bandmitglieder vor dem Schlafengehen allabendlich aufs Neue lobend auf die Schulter klopfen: Sie haben sich etwas Eigenes geschaffen, das es den Menschen erschwert, Polarkreis 18 mit musikalischen Maßstäben genau zu definieren. Der leider zu oft schmerzlich vermisste Wiedererkennungswert ist bei dieser Dresdner Band auf jeden Fall gegeben. Geht das allerdings so weit, nach knapp 41 Minuten von dem seltsamen Gefühl beschlichen zu werden, man habe nur ein einziges (sehr, sehr langes) Lied gehört, wird es kritisch. Denn selbst "Allein Allein" hätte bei einer Dauer von 40:58 den Reiz eingeschlafener Füße am Morgen*.

* Nicht aber der Remix des Songs, "Allein Alene" mit Nephew, von dem man so schnell den Hals nicht voll kriegt. Der ist zwar weder verboten, noch macht er den Song über alle Maßen neu, aber die vier coolen Dänen, die Polarkreis 18 hier unter die Arme greifen, beweisen, dass sie auch über "Movie Klip" und "Worst/Best Case Szenario" hinaus was können. Deren Album "USADSB" ging nach der Single-Veröffentlichung von "A Wannabe Darth Vader" im Jahr 2005 hierzulande leider völlig unter. Niemand wünscht den Dresdnern, dass ihren Zweitling dasselbe Schicksal ereilt. Leider, leider ist besagter Remix nicht auf "The Colour Of Snow" vertreten: Hätte man die dänischen Kollegen überreden können, mehr als ein Stück Musik miteinander zu basteln – wozu man künftig sicherlich Gelegenheit hätte, sollten man sich in einigen Wochen unfreiwillig im gleichen Boot wiederfinden –, hätte sich das Risiko, am Ende des Tages nicht mehr als ein Strohfeuer entfacht zu haben, folgerichtig schlagartig um ein Drittel verringern müssen. Mindestens. Auf die paar Leute mehr oder weniger wäre es nach dem ungewöhnlichen Schlachthof-Experiment schließlich auch nicht mehr angekommen.

Anspieltipps

Allein Allein

130/70

Name On My ID

Artistpage

Polarkreis18.de

Tracks

1.Tourist
2.Allein Allein
3.Prisoner
4.Untitled Picture
5.The Colour Of Snow
6.130/70
7.Rainhouse
8.River Loves The Ocean
9.Name On My ID
10.Happy Go Lucky

Aljana Pellny - myFanbase
26.10.2008

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