Bewertung
Dear Reader

Replace Why With Funny

Gäbe es einen Preis für den kuriosesten Albumtitel, wäre Dear Readers "Replace Why With Funny" sicherlich heißer Anwärter auf diese Auszeichnung. Dabei kommen Cherilyn MacNeil und Darryl Torr, die beiden Taufpaten dieses gleichermaßen merk- wie denkwürdigen Albums, aus einem Land, in dem es oft alles andere als lustig zugeht: dem nach wie vor tief gespaltenen Südafrika.

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In ihren Songs schlägt sich die Herkunft der beiden Johannesburger jedoch nur bedingt nieder. Vielmehr hat sich das Duo Musik verschrieben, die kanadischer kaum klingen könnte. Mit der instrumentalen Wucht und Erhabenheit von Arcade Fire und hinreißenden Melodien, deren zuckersüße Melancholie stark an die Indie-Popper von Stars erinnert, schaffen sie verspielten Folk-Pop fern von Afrobeat und Weltmusik.

So verzaubert bereits der Opener "Way of the World" mit lässigem Banjo und herrlich schrägen Violinklängen, während Cherilyn MacNeil sich trotz "heaviest boots ever made" mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit durch den Song singt, summt und seufzt. Die Singleauskopplung "Dearheart" beginnt dagegen mit verdächtig nach "Hit the Road Jack" tönender Piano-Linie, entwickelt sich mit der Zeit aber zu einem völlig eigenständigen Handclap-Ohrwurm, in dem fast ein Dutzend Instrumente scheinbar fröhlich durcheinander spielen, ohne auch nur im Entferntesten blasiert oder überladen zu wirken. Ganz im Gegenteil, spricht einem der Song förmlich aus der Seele, wenn es heißt: "And this just seems so natural, so unrehearsed, so elementary simple."

Das regelrecht märchenhafte "Great White Bear" klingt wie eine vertonte Bilderbuch-Geschichte, dessen Held im Bauch eines Eisbären Zuflucht vor der bösen weiten Welt sucht. Wie so oft geleitet von MacNeils gefühlvollen Klavier- und Sangeskünsten, verleihen majestätische Waldhörner und klagende Gitarren dem Ganzen noch ein wenig zusätzliches Drama, das in einem drumlastigen Finale schließlich seinen Höhepunkt findet.

Als ungewöhnlich minimalistisch erweist sich dagegen "Release Me", eine verträumte Ballade von entrückter Schönheit, in der MacNeils glasklare Stimme klar im Vordergrund steht und zunächst lediglich von Akustikgitarre und elegischer Violine begleitet wird. Erst nach knapp zweieinhalb Minuten setzt ein verhaltenes Schlagzeug ein, das kurzzeitig ein furioses Crescendo und immense Gänsehaut auslöst, bevor der Song nur wenige Sekunden später wieder völlig unvermittelt ins Pianissimo verfällt.

Es sind Momente wie diese, die Dear Reader so besonders machen. Momente wie in "Never Goes", wenn über der vermeintlich harmlosen Klavierballade plötzlich ein orchestraler Sturm losbricht. Momente wie die frappierenden Backgroundchöre in "The Same", die MacNeils Lamento über das Gefühl der Unzugehörigkeit in der südafrikanischen Heimat und die damit verbundene Identitätskrise schlichtweg genial in Szene setzen. Oder Momente wie die von Klavier, Orgel und Harmonium untermalte Lovestory zwischen Mr. Sensitive und Ms. Offensive in "What We Wanted".

Dear Reader spielen mit Gegensätzen, mit Erwartungen und Stimmungen. Sie brechen mit den üblichen Pop-Konventionen und verblüffen durch ausgesprochene Detailverliebtheit. Dabei wirken die ausgeklügelten Arrangements stets erstaunlich unprätentiös, subtil und nonchalant, so als ob das Album während einer spontanen Jam-Session entstanden wäre. Als Hörer fühlt man sich dabei wie ein kleines Kind beim ersten Besuch eines Jahrmarkts. Denn um einen herum passiert so unglaublich viel, dass man kaum mehr weiß, welcher der spannenden und bunt leuchtenden Attraktionen man seine Aufmerksamkeit schenken soll.

Fazit

Liebe Leser, hört Dear Reader! Denn diese Engelsstimme, begleitet von himmlischen Arrangements und sakralen Chören – das ist wahrlich Musik für die Götter.

Anspieltipps

Dearheart

Great White Bear

Release Me

The Same

Hörprobe

Hört euch alle Lieder des Albums "Replace Why With Funny" an. Hier geht es zur Hörprobe.

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DearReaderMusic.com

MySpace-Profil

Tracks

1.Way Of The World
2.Dearheart
3.Great White Bear
4.Bend
5.Out Out Out
6.Release Me
7.Never Goes
8.The Same
9.What We Wanted
10.Everything Is Caving

Paulina Banaszek - myFanbase
23.02.2009

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