Bewertung
Grizzly Bear

Veckatimest

Die aktuelle Platte von Grizzly Bear ist nach einer unbewohnten Insel in Massachusetts benannt – klingt vielleicht ein bisschen mystisch, ist es auch. Das färbt natürlich auf die Platte ab: Selten etwas gehört, das sich einem so schwer erschließt und so unnahbar wirkt, bis es einen mit voller Wucht erwischt.

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Man kann ja nicht behaupten, dass die Songs wirklich sperrig oder gar unmelodisch wären, es fühlt sich vielmehr so an, als wären die Stücke und ihre einzelnen Teile (insbesondere der vielstimmige Gesang und das Sammelsurium an außergewöhnlichen Instrumenten) irgendwie zerfranst oder zerlaufen, als schwebten sie und die Melodien in der Luft herum – und es liegt nun am Hörer, diese (oft vergeblich) zu erhaschen.

Das Vorgängeralbum "Yellow House" hatte schon ähnlich funktioniert und zeigte sich ebenfalls erst nach ein paar Durchläufen in seiner vollen Pracht. Hier trifft man allerdings auf einen hallenden, vielfältigeren Sound, der teilweise richtig altmodisch wirkt und den Eindruck vermittelt, als wäre er in einer Kirche aufgenommen worden. Gleichzeitig leben die Songs von häufigen Richtungswechseln und verschiedenen Stimmungen, es scheint keine Sekunde zu vergehen, in der nicht von irgendwoher ein Rumpler oder ein Knarzen aus längst vergangenen Zeiten auftaucht.

Neben dem pochenden Schlagzeug, dem klimpernden Klavier und der generell flirrenden, teils psychedelischen Atmosphäre ist es diesmal vor allem der Gesang, der einen Großteil des Reizes ausmacht: Ähnlich schon wie bei den Fleet Foxes lugt ständig ein mehrstimmiges "Ahhh" oder "Ooohhhh" um die Ecke, manchmal sogar ein ganzer Kinderchor. Gerne klettern die Herren Rossen und Droste auch mal gefühlvoll und klagend die Tonleiter ein Stückchen höher hinauf – vom Gebrumme eines Bären kann hier kaum mehr die Rede sein.

All diese Faktoren machen "Veckatimest" zu einem Album, das man keineswegs nebenbei hören darf – dann bleibt nämlich so gut wie gar nichts hängen, zu verträumt, zu sehr in sich gekehrt wirkt das gute Stück zunächst. Lässt man der Musik aber genug Aufmerksamkeit zukommen, erkennt man plötzlich, dass wohl genau das Gegenteil der Fall ist: Wie erhaben und grenzübertretend ein "Southern Point" oder ein "Fine For Now" auf einmal anmutet, wie einprägsam einem plötzlich Songs wie "Two Weeks" oder "Cheerleader" vorkommen!

Es ist, als bekomme man schlagartig einen Gespür für die schwer greifbaren, aber doch so schönen Arrangements der Band, als sei man erst nach dem gefühlten hundertsten Durchlauf wirklich für diese Musik bereit und offen – aber auch dann ist noch immer nicht Schluss: Zu entdecken gibt es schließlich genug interessante Details, sei es im in bester Prog-Manier ausartenden "I Live With You" oder im letzten Song "Foreground", der fast schon anmutig dahinschreitet und schließlich mit dem berühmten Kinderchor davonzuschweben scheint...

Fazit

Mit "Veckatimest" machen es uns Grizzly Bear nicht leicht – Geduld, Geduld und nochmals Geduld braucht man, um dieser geheimnisvollen Mischung aus Folk, psychedelischem Rock Experimentierfreude etwas näher zu kommen. Dieser Annäherungsprozess kann mitunter sehr lange dauern – aber wer durchhält, wird auf der Insel "Veckatimest" einen wahren Schatz bergen …

Anspieltipps

Two Weeks

Cheerleader

While You Wait For The Others

Foreground

Artistpage

Grizzly-Bear.net

Tracks

1.Southern Point
2.Two Weeks
3.All We Ask
4.Fine For Now
5.Cheerleader
6.Dory
7.Ready, Able
8.About Face
9.Hold Still
10.While You Wait For The Others
11.I Live With You
12.Foreground

Stephanie Stummer - myFanbase
04.08.2009

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