Bewertung
Sunset Rubdown

Dragonslayer

Zückt eure Schwerter, ihr Jungs und Mädels von den Dirty Projectors, Animal Collective und Grizzly Bear! Denn mit ihrem aktuellen Album "Dragonslayer" setzen die fünf kanadischen Indie-Rocker von Sunset Rubdown nicht nur alles daran, den Nibelungenlied-Protagonisten Siegfried als wohl bekanntesten Drachentöter abzulösen, sondern kämpfen auch in der Schlacht um den Titel "Album des Jahres 2009" an vorderster Front mit.

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Eigentlich müsste man gar nicht erst reinhören, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass es sich bei "Dragonslayer" um kein gewöhnliches Album handelt. Es genügt nämlich auch ein Blick auf die Songtexte. Frontmann Spencer Krug hat mit seinem jüngsten Werk ein Epos in acht Akten geschaffen, das mit konventionellen Strophe-Refrain-Strukturen bricht und stattdessen eine verworrene, mit Metaphern gespickte Geschichte von großen Heldentaten erzählt. Das Ergebnis dürfte nicht nur so manchen Schriftsteller vor Neid erblassen lassen, sondern auch Songwriter-Kollegen wie Colin Meloy (The Decemberists) oder Jeff Mangum (Neutral Milk Hotel), die ebenfalls für ihren epischen Stil bekannt sind, schwer beeindrucken.

Glorreiche Haudegen und tugendhafte Jungfrauen, konspirative Könige und deren enthauptete Gemahlinnen, namhafte Vertreter des Alten Testaments und der griechischen Mythologie, Unheil verkündende schwarze Schwäne und vom Aussterben bedrohte Büffel – all das begegnet dem Hörer auf der Reise des aufstrebenden Drachtöters, welche von Sunset Rubdown auf eindrucksvolle Art und Weise vertont wurde. Aber auch die Palette an Emotionen und Lebensweisheiten, die einem zwischen den Zeilen untergejubelt werden, ist breit gefächert. So findet man auf dem Album – wie es sich für ein monumentales Epos gehört – nicht nur Bekundungen aufrichtiger Liebe, sondern auch Abschnitte über bitteren Trennungsschmerz, unbändigen Freiheitsdrang, Betrug und Reue.

Musikalisch braucht sich "Dragonslayer" auch hinter kaum einer anderen Veröffentlichung der vergangenen Monate verstecken. Einerseits liegt das an Spencer Krugs außergewöhnlichem Gesang, der sich den Höhen und Tiefen dieser abenteuerlichen Reise entsprechend anpasst. Seine Stimme ist zwar, ähnlich wie bei den zuvor erwähnten Kollegen Meloy und Mangum, bestimmt nicht jedermanns Sache, trägt aber maßgeblich zum hohen Wiedererkennungswert der Musik von Sunset Rubdown bei. Als besonders herausragend erweisen sich jedoch die Momente, in denen Bandmitglied Camilla Wynne Ingr ebenfalls zum Mikrofon greift. Gemeinsam sorgen die beiden für eindringlichen Duett-Gesang, der unweigerlich an Win Butler und Régine Chassagne von Arcade Fire erinnert.

Andererseits hebt "Dragonslayer" sich auch durch seine üppige Instrumentierung von der breiten Masse an aktuellen Rockalben ab. Während Spencer Krug sein Können abwechselnd an Gitarre, Klavier und Keyboard unter Beweis stellt und seine drei männlichen Kollegen sich an Schlagzug und Bass austoben, sorgt Camilla Wynne Ingr als bandeigene "Jane of all trades" mit Xylophon, Synthesizer und diversen anderen Hilfsmitteln für die außergewöhnlicheren Soundeffekte. Auffallend ist dabei in erster Linie die Dynamik innerhalb der einzelnen Songs, die oftmals stark variiert zwischen schnell und langsam, laut und leise, mitreißend und unzugänglich. So schleicht sich beispielsweise "You Go On Ahead" erst eher verhalten von hinter an und übermannt einen schließlich nach zweieinhalb Minuten mit einer Kombination aus skurrilem Text ("When me and the boys were out, we killed a thousand butterflies / I put their wings into my mouth and said a prayer for our safe arrival") und einer nicht minder abgedrehten Keyboardpassage samt Xylophonuntermalung.

Als wohl einprägsamstes Stück des Albums ragt allerdings "Black Swan" hervor, in dem besagtes Tier einen Furcht einflößenden Albtraum voller Gespenster, enthaupteter Königinnen und zerstörter Paläste auslöst. Passend zum düsteren Text bricht zwischen den einzelnen Passagen ein Gewitter aus lärmenden Gitarren- und Schlagzeugtönen über den Hörer herein, das einen nicht zuletzt wegen seiner Intensität an Pixies-Songs wie "Vamos" denken lässt. Kurz vor Schluss wendet sich jedoch das Blatt, und "Black Swan" endet mit einer der schönsten, im Duett vorgetragenen Botschaften des gesamten Albums ("My heart is a kingdom / Where the king is a heart / My heart is king / The king of hearts").

Wer auf der Suche nach nicht ganz so schwerfälliger Kost zum Mitsingen und -tanzen ist, wird auf dem Album ebenfalls fündig, beispielsweise in Form von "Idiot Heart". Obwohl es dem Hörer bei diesem Lied aufgrund wiederholter "Move around!"-Aufforderungen tatsächlich schwer fällt, ruhig sitzen zu bleiben, lohnt sich auch hier ein genauerer Blick auf den Text. Denn neben der wohl gelungensten aller Metaphern ("You want to walk around like you own the joint, the way that Icarus thought he might own the sky") beinhaltet das Stück eine weitere Zeile, die man erfahrungsgemäß noch lange nach Abklingen des letzten Tons vor sich her singt ("I hope that you died in a decent pair of shoes / You've got a lot of long walking to do / Where you're going to").

Bei den zwei abschießenden Liedern stehen dann, ähnlich wie beim Opener "Silver Moons", die ruhigeren Töne im Vordergrund. Im traurig-schönen "Nightingale / December Song" wird über das vorübergehende Ende einer Beziehung infolge unüberwindbarer Differenzen philosophiert ("You are too hot for me / I am too slow for you / You are a fast explosion and I am the embers"), welches sich bereits im ersten Lied abzeichnet ("Gone are the days bonefires make me think of you"). Nach einem entsprechend schweren Abschied zieht unser Held schließlich los und begibt sich im über zehn Minuten andauernden Finale ("Dragon's Lair") an eben jenen Ort, wo es zum großen Showdown kommt: Mensch gegen Drache, David gegen Goliath, Gut gegen Böse. Wie dieser Kampf ausgeht, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Um das herauszufinden, muss der interessierte Leser schon selbst zu diesem außergewöhnlich(gut)en Album greifen.

Fazit

Spencer Krug singt auf "Dragonslayer" nicht nur vom Kampf gegen ein Ungetüm, sondern hat in Form dieses Albums selbst eines erschaffen. Auch wenn dieses im ersten Moment aufgrund seiner musikalischen und textlichen Komplexität übermächtig und unnahbar erscheint, gelingt es bestimmt einigen geduldigen und unerschrockenen Hörern, das Ungetüm zu bändigen. Jenen Heldinnen und Helden sei vorab zu der großen Errungenschaft – und ganz nebenbei auch noch zu ihrem wahrhaft guten Musikgeschmack – gratuliert.

Anspieltipps

Idiot Heart

Black Swan

Dragon's Lair

Artistpage

SunsetRubdown.net

Tracks

1.Silver Moons
2.Idiot Heart
3.Apollo and the Buffalo and Anna Anna Anna Oh!
4.Black Swan
5.Paper Lace
6.You Go On Ahead (Trumpet Trumpet II)
7.Nightingale / December Song
8.Dragon's Lair

Willi S. - myFanbase
04.10.2009

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