The Boy Who Knew Too Much
Mika kennst du, oder? Müsstest du eigentlich. Kennt doch jeder. Wegen "Grace Kelly" und "Relax, Take It Easy" und so. Waren bei uns auf Platz 4 der Single-Charts. Für den Fall, dass da trotzdem nichts klingelt, eine Kurzvorstellung: Mika heißt eigentlich Michael Holbrook Penniman Jr., ist aktuell 26, wurde im Libanon geboren, lebte in Paris und wohnt nun seit 15 Jahren in London. Sein Stimmumfang umfasst dreieinhalb Oktaven, er wurde für den Grammy nominiert und nur vier Alben haben sich 2007 auf der Welt besser verkauft als sein Debüt "Life In Cartoon Motion". Zweieinhalb Jahre später stellt er nun den Nachfolger vor.
Mika mag Kindergeburtstage. Er liebt's bunt, schrill, albern und kurzweilig – siehe Cover, Booklet und Bühnenshows. Singt glaubwürdig "I live for glitter". Tanzt auch gerne mal (im Video zur ersten Single "We are golden") fast nackt auf dem Bett und wirkt dabei irgendwie unschuldig, so gar nicht auf der "Sex sells"-Schiene mitfahrend. Er will Spaß – und mehr als das. Er will fröhliche Mitmenschen, fröhliche Hörer und Zuschauer, ein fröhliches Selbst. Am liebsten immer.
Und so haut er in die Tasten, nötigt zum Mitwippen, -schnippen und –tanzen. Singt, schreit und quietscht sich in die Gehörgänge. Mit dem berühmten Andrae Crouch Choir sofort auch sehr pompös aufgezogen – logo, denn "We Are Golden". Mit unüberhörbaren Pauken in "Blame It On The Girls" – für mich und sein Label ganz eindeutig Singlekandidat (weil besser als die erste) – und Trompeten in "Dr. John". "Rain" macht eher durch Elektrospielereien, "One Foot Boy" durch ein Duett mit sich selbst und "Blue Eyes" durch belebende Percussion auf sich aufmerksam. "Good Gone Girl" setzt dann wieder auf die für ihn typischen Klavier-Staccatos und präsentiert sich damit als schwächstes Albumstück. Zwei Songs später wird's dann endlich untypisch, wenn Imogen Heap am Songwriting und Backgroundgesang beteiligt ist – was funktioniert, da der bei so viel Abwechslungsreichtum in der Gefahr unüberraschend zu werdend stehende Lockenkopf dann doch wieder zu überraschen weiß: "By The Time" ist ein Heap-klassischer sphärisch-besonnener Song. Auch "I See You" und die zwei letzten Songs sind eher ruhig. Nachdem "I See You" zuerst leider an Britneys "Everytime" und dann an sein eigenes "Happy Ending" erinnert, an dessen einfache Brillanz es aber nicht herankommt, bringt Mika mit "Toy Boy" und "Pick Up Off The Floor" diesmal das, was er auf dem letzten Album noch hinter der offiziellen Tracklist versteckte: Musicalartige Titel, in denen er mit verspielten Melodien und seiner außergewöhnlichen Falsettstimme glänzen kann.
Mika mag Pop. Und hat kein Problem damit. Ist da ganz selbstsicher. Und ist gut! Denn das hier ist kein billiger Pop. Man merkt, der Bub hat was drauf. Hat Ahnung von Musik, Leidenschaft für sie und Freunde an ihr. Weiß, was er tut. Hat viele Ideen und Fantasie, mag nicht das Übliche. Er denkt weiter, will mehr – was Cover und Albumtitel ausdrücken. Er wühlt in den Soundkisten der letzten fünf Jahrzehnte und zitiert mal gekonnt frech (wie in "Touches You" George Michaels "Father Figure") und mal leider zu deutlich (wie in "We Are Golden" Belinda Carlisles "Heaven Is A Place On Earth"). Und auch wenn die 80er derzeit in sind und auch wenn ab und an mal eine Ähnlichkeit zu den Scissor Sisters, MGMT oder Robbie Williams aufblitzt, schafft Mika es doch, ganz eigen zu klingen.
Mika mag es offen und ehrlich. Ist wie er ist. Down to earth. Und daher für die Massen so sympathisch. Verstellt sich nicht. Auch nicht für ein zweites Album, das ja von Kritikern und Plattenfirma immer noch intensiver beäugt wird. Genau deswegen hat er nämlich noch weniger Lust auf Versteckspiele. Und während er früher Meister darin war ("I See You"), schaut er heute nicht mehr zu, sondern lebt. Will das einfache Leben nicht verkomplizieren ("Blame It On The Girls"). Macht Mut, den Herzschmerz hinter sich zu lassen ("Blue Eyes"). Und kann so traurige Texte Dancefloor-tauglich machen ("Rain"). Das Albummotto könnte daher auch aus dem Intro zu Track 2 sein: "Dude, your perspective on life sucks...".
Fazit
Poppiger geht's wohl nicht. Besser aber schon. Durchgängig überzeugen kann "The Boy Who Knew Too Much" nämlich nicht. Mehr Ecken und Kanten wären schön gewesen und hätten der Kuscheligkeit sicher keinen Abbruch tun müssen. Es fehlen die großen Ohrwürmer, die die Hälfte von Album Nr. 1 ausmachten. Mikas Durchschnittsniveau hat sich jedoch verbessert – u.a. erkennbar daran, dass manche Songs wie bessere Versionen von alten klingen ("Rain" von "Relax", "Dr. John" von "Billy Brown"). Gut, dass der Paradiesvogel manch Kritikern zum Trotz bei seiner Stilvielfalt geblieben ist – alles andere wäre Talentverschwendung. Interessant, dass er gerade, weil er so selbstbewusst albern ist, reif rüberkommt. Und erfreulich, dass es Mika zu Daniel Küblböcks DSDS-Zeiten noch nicht gab...
Anspieltipps
Blame it on the girls
Rain
I see you
Toy boy
Pick up off the floor
Artistpage
Tracks
1. | We Are Golden | |||
2. | Blame It On The Girls | |||
3. | Rain | |||
4. | Dr. John | |||
5. | I See You | |||
6. | Blue Eyes | |||
7. | Good Gone Girl | |||
8. | Touches You | |||
9. | By The Time | |||
10. | One Foot Boy | |||
11. | Toy Boy | |||
12. | Pick Up Off The Floor |
Micha S. - myFanbase
09.10.2009
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (US): 22.09.2009Veröffentlichungsdatum (DE): 18.09.2009
Genre: Pop
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