Bewertung
Morton Valence

Bob And Veronica Ride Again

Ein Arbeitsamt, ein Bus, eine Bibel. Das ist der Beginn der Geschichte von Robert 'Bob' Young und der wundervollen Veronica Wilson. Aber um sich Hals über Kopf in sie zu verlieben, brauchte es für Bob weitaus weniger als das – nämlich nur den allerersten Augenblick. Es war schlichtweg um ihn geschehen. Und auch Veronica fand nach und nach Gefallen an ihrem glühenden Verehrer. Ohne die Irrungen und Wirrungen der Liebe, Lust und des Lebens an sich sollte aber auch ihre Geschichte nicht auskommen.

Foto:

Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Alles Weitere ist nachzulesen in Syd Barretts gleichnamiger Novelle "Bob And Veronica Ride Again", geziert von einer Malerei Tom Gilpins. Die zeigt eine rothaarige junge Lady von offensichtlich nicht ganz so schlechten Eltern auf der linken, einen schnäuzbärtigen in etwa ebenso jungen Mann im Anzug auf der rechten Seite. Ein bisschen Bonnie, ein bisschen Clyde. Der Betrachter des Bildes blickt in Augen zweier Personen, die irgendwo zwischen Langeweile und überheblich wirkender Gleichgültigkeit der Welt entschwunden zu sein scheinen. Diese Personen haben durchaus Ähnlichkeit mit Anne Gilpin und Robert Hacker Jassett. Und diese Personen wiederum leben möglicherweise ebenfalls ein Stück weit in ihrer eigenen Welt. Vor allem aber wissen sie, andere Menschen in eben jene zu entführen. Aber der Reihe nach.

Gemeinsam sind sie Morton Valence. Und wurden nicht glücklich auf der Suche nach einem Plattenlabel, das sie so nahm, wie sie waren und was sie hatten wollen sein: Musiker nämlich. Musiker mit einem Plattenvertrag. Anstatt sich nun aber in der Not mit Fliegen zufrieden zu geben, wurde man erfinderisch: Gilpin und Jassett konnten auf ihre ganz eigene Weise Fürsprecher gewinnen – und zwar durch ihre Fürsprecher, ihre Fans. Die machten mobil und mit finanzieller Unterstützung den Traum des Musiker-Duos wahr. Das vielleicht wirklich Erstaunliche daran ist, dass das Debütalbum der beiden Briten in ungewöhnlich opulenter Aufmachung erscheint: nicht der Pappschuber macht den Unterschied. Auffällig ist vielmehr dessen Breite, begründet durch das über hundert (!) Seiten fassende Booklet. In dem steht die besagte Geschichte von Bob und Veronica, in welcher auch die Band selbst auftaucht – was wiederum die Frage aufwirft, ob die Geschichte für das Album geschrieben wurde oder das Album zur Geschichte.

Was klingt wie ein Märchen, hört sich tatsächlich auch wie eines an. Und zwar Stück für Stück für Stück. Anne Giplins Stimme ist von jener Sorte, mit der Mobilfunkkonzerne ihre Tonbänder bespielen, um ungeduldige Kunden zu besänftigen, die mal wieder unnötig lange in der Warteschleife der selbstverständlich kostenpflichtigen Hilfe-Hotline gehalten werden. Eine so angenehme Stimme, die Supermarktdurchsagen sprechen würde oder den Leuten sagt, welche Bushaltestelle als nächstes angefahren wird und auf welcher Seite sie aussteigen müssen. Glücklicherweise haben die Fans von Morton Valence das verhindert. Dank ihnen darf Anne Giplin Musik machen. Und genau dafür wurde sie auch gemacht: ein Hauchen, ein Wispern, ein Säuseln. Immer perfekt unterstützt von Jasset, der sie dann und wann ablöst. "Chandelier", die erste Single, spielt in betörenden Klängen die Unschuld vom Lande, die sich soeben zum ersten Mal in die Liebe verliebt: "We let the ugly disappear/ We are waltzing home tonight/ We swing from the chandelier/ Kiss! Don't say goodnight." Irgendwo zwischen Leichtfüßigkeit und Naivität ("I've been falling down the stairs of love") hängen die 13 Songs den ganz großen Gefühlen nach, allgegenwärtige Sehnsucht. Und fügen sich zu einem Album zusammen, dass die Zweisamkeit zelebriert und die Einsamkeit fordert. Aber nur die desjenigen, dem die musikalische Liebelei zuteil wird. Denn "Bob And Veronica Ride Again" verlangt danach, genussvoll konsumiert zu werden. Nicht in Eile, nicht nebenbei: am schönsten ist's bei Nacht. Wenn man nichts sieht, nichts hört außer Anne Gilpin und Robert Hacker Jassett, aber ganz viel spüren kann. Den überspringenden Funken, die weichen Knie, die Schmetterlinge im Bauch.

Fazit

Hier merkt man es: Gilpin und Jassett stecken musikalisch bis zum Kinn unter einer Decke. In ewigem Wechselspiel flirten ihre Stimmen miteinander, umschwärmen sich wie Bienen die Blumen. Ein (sprachliches) Bild, das vielleicht nicht unbedingt mehr sagt als die berühmten 1000 Worte. Aber das muss es nicht, die Lieder sprechen charmant und detailverliebt für sich.

Anspieltipps

Chandelier

Funny Peculiar

Hang It On The Wall

Falling Down The Stairs

"I Must Go", She Said, "But I Will Always Come Back"

Artistpage

MortonValence.com

MySpace-Profil

Tracks

1.Veronica's Revenge (Continued)
2.Chandelier
3.Sequin Smile
4.Ordinary Pleasures
5.Funny Peculiar
6.John Young
7.Hang It On The Wall
8.Nobody Understands
9.Falling Down The Stairs
10.Bob, Veronica And Some Crickets
11."I Must Go", She Said, "But I Will Always Come Back"
12.Disco
13.Go To Sleep

Aljana Pellny - myFanbase
07.11.2009

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