Bewertung
Sidewaytown

Years In The Wall

"Post Non-Pop For Eskimo Stars" heißt es im beiliegenden Pressetext, "A Skygazing Post Rock Symphony" steht zur Erklärung unter Albumtitel und Bandname – ganz klar: Mit seinem neuesten Projekt "Sidewaytown" wollte Markus Baltes keine herkömmliche Platte aufnehmen, sondern den Hörern etwas Vielschichtiges, Besonderes, Experimentelles liefern. Gelingt ihm das?

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Nur bedingt. In erster Linie versteckt sich hinter der "Skygazing Post Rock Symphony" eben genau das, was man beim Lesen dieser Zeile erwartet: "Years In The Wall" ist ein aufgeblähtes Album, das sich selbst und sein Konzept viel zu ernst nimmt. Um nämlich etwas Außergewöhnliches daraus zu machen und nicht die üblichen Klischees zu bedienen, hat sich Baltes die mehr oder weniger berührende Geschichte von Gordon Voice ausgedacht: Gordon wird 10 Jahre lang von seinem Vater eingesperrt ("It's not a cage / It's not a cage / It's just a room without any doors"), bis dieser plötzlich verschwindet und der Junge daraufhin im Waisenhaus landet. Als Jugendlicher macht er sich auf die Suche nach seinem Vater, der natürlich einen triftigen Grund hatte, sein Kind jahrelang in Gefangenschaft zu halten: Gordon trägt wie all seine Vorfahren einen Virus in sich, der die Menschen befallen wird, die er liebt. Er kann nicht recht daran glauben, lebt aber lieber in sozialer Isolation – bis ihm eines Tages doch die Liebe seines Lebens über den Weg läuft und das Schicksal seinen Lauf nimmt...

Diese Geschichte (und ihr Ende, das mit einem "...to be continued" versehen ist – befindet sich doch auch der Hinweis "First Act" auf der CD) wird neben den Songtexten im sorgfältig und ansprechend gestalteten Booklet erzählt. Auf musikalischer Ebene schwimmt Baltes im bedeutungsschwangeren Bereich des Postrock und Shoegaze herum, suhlt sich in Dramatik und Pathos und verschanzt sich hinter meterhohen Soundwänden, während er mit hoher, verhaltener Stimme eben besagte Geschichte erzählt. Dabei passiert ihm genau das, was er vermeiden wollte: Sein Album mutiert zum wandelnden Klischee in Sachen Shoegaze und Postrock, zu einer übertriebenen, langweiligen Version all dessen, was Sigur Ros und Co sonst richtig machen.

Baltes will möglichst viel Eindruck hinterlassen und trägt dabei zu dick auf. Es gibt durchaus beeindruckende Momente auf "Years In The Wall", in denen es gelingt, in das zerrissene Innere des Protagonisten Gordon zu blicken – so, wie es die soundtrackartig angelegte Form des Albums eigentlich vorsieht. "Asylum F22.0" und "Beautiful Accident" schaffen es, die richtigen Emotionen zu transportieren, während die meisten Nummern aber meist viel zu aufgebauscht werden und gerade deswegen keinerlei Gefühle übermitteln können.

Das einzige wahre Highlight befindet sich mit "The Fine Print" am Ende der Geschichte: Hier steht endlich einmal der Song selbst im Vordergrund, Baltes' Stimme und die Instrumente bekommen genug Luft zum Atmen und verschmelzen zu einer kleinen, eindringlichen Hymne. Dieser gute Abschluss deutet darauf hin, wie gut "Years In The Wall" hätte werden können, wenn Baltes nicht in seinem Übereifer, etwas Außergewöhnliches und Dramatisches zu schaffen, Glaubwürdigkeit und wahre Gefühle vergessen hätte.

Fazit

"Years In The Wall" möchte gerne alles sein: Soundtrack, Postrock-Symphonie und mitreißendes Konzeptalbum. Die Tatsache, dass hier viel zu dick aufgetragen und alles viel zu ernst genommen wird, macht das Album von Sidewaytown aber zu einem übertriebenen Werk, dem jegliche Bodenständigkeit fehlt.

Anspieltipps

Put Your Sun In The Corner

The Fine Print

Artistpage

Sidewaytown.com

MySpace-Profil

Tracks

1.Sorry For The Bad View
2.Paper Walls
3.Asylum F22.0
4.Put Your Sun In The Corner
5.Little Beautiful Accident
6.Been Lightseconds
7.Empty Station
8.Don't Visit A Dying Bastard
9.Outpatient: Voice
10.The Fine Print

Stephanie Stummer - myFanbase
09.12.2009

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