Bewertung
Twilight Sad, The

Forget The Night Ahead

Es gibt Dinge, von denen eine seltsame Faszination ausgeht – sie hinterlassen ein Gefühl der Beklommenheit und Bedrückung, gleichzeitig kann man aber nicht die Finger von ihnen lassen. "Forget The Night", das zweite offizielle Album von "The Twilight Sad", ist so eine Sache. Die Emotionen, die das Album aufwirbelt, und die Atmosphäre, die dadurch entsteht, sind so intensiv und vielfältig, dass man sich nach einem Hördurchlauf beinah ausgebrannt fühlt – aber dennoch nicht anders kann, als sich dem ganzen Gefühlschaos erneut hinzugeben...

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"Reflection of the Television" setzt schon mal ein eindeutiges Zeichen: Ein grummelnder Bass und ein eindringlicher, hohler Schlagzeugrhythmus sorgen für eine eigenartig bedrückende Klangkulisse, die man so schnell nicht wieder vergisst. Bis schließlich endlich das verstörende Gitarrengewitter losbrechen darf, singt James Graham mit seinem schottischen Akzent ständig "there's people downstairs", sodass es fast wie eine Beschwörung klingt. Dieser starke Akzent, der so altmodisch und sonderbar anmutet, als wäre er aus einer ganz anderen Zeit, und diese eigentümliche Songstruktur, die mehr ein wachsendes Intro als ein herkömmliches Musikstück ist, sorgen gleich zu Beginn des Albums für ein paar der besten Momente auf dem gesamten Werk. Als sich schließlich das Gitarrengewitter entlädt, wird die aufgebaute Spannung nicht etwa aufgelöst, denn Graham singt noch immer dagegen an und tönt "there's people downstairs" – die erste Gänsehaut lässt grüßen!

Mit "I Became A Prostitute" folgt eine Singleauskopplung, die stark vom Noise geprägt ist, aber gerade deswegen Grahams Gesang noch eine Spur verzweifelter erscheinen lässt. Die meisten Songs bauen auf diesen für die Band typischen Noise- und Shoegaze-Elementen auf, sodass man sich wie bei den folgenden Nummern "Seven Years of Letters" und "Made To Disappear" die einzelnen Schichten immer erst "freibuddeln" muss. Dann aber erkennt man plötzlich die Eingängigkeit, die hinter scheinbar sperrigen Passagen steckt, und stößt auf ganze Welten von Emotionen, die diese Stimme mit dem gewöhnungsbedürftigen Akzent hervorrufen kann.

Das Instrumental "Scissors" schließlich vermischt eine Menge seltsamer Geräusche, die einen immer mehr einengen und mit anhaltendem Dröhnen und Rauschen über den Hörer hereinbrechen – eine weitere Draufgabe, um Verstörung hervorzurufen. Mit klarem Klavier und charakteristisch stampfendem Schlagzeug schafft es "Room" wieder, ebenso emotional mitreißend wie betäubend zu wirken. Die teilweise kryptischen Texte tragen ihr Übriges zu der düsteren Stimmung bei.

Ein Gefühl der Atemlosigkeit und Eile erzeugt "That Birthday Present" – es nimmt unaufhaltsam an Fahrt zu und lässt einem keine Ruhe. Die Eile und das Unstete der Noise-Melodien übertragen sich auf den Hörer – man fühlt sich getrieben und verfolgt und hat automatisch das Bedürfnis, alles in doppelter Geschwindigkeit zu erledigen. Wohltuend still beginnt dafür "Floorboards Under The Bed": Hier singt Graham anfangs ruhig in die Stille hinein, bis ein Klavier einsetzt, das sich mutig gegen ein aufkommendes Schnarren und Rauschen stellt – mehr Fragment als Song, aber atmosphärisch erneut äußerst überzeugend.

In "Interrupted" erliegt man wieder vollkommen Grahams beschwörendem Gesang, der mit Sicherheit einen Großteil der Faszination ausmacht, die von der Musik der Schotten ausgeht. Ähnlich wie in "That Birthday Present" geht es auch beim vorletzten Song "The Neighbours Can't Breathe" zu: Erneut wird hier ein sehr düsteres Klangbild entworfen, das nervös pulsiert und zuckt. Zum Abschluss werden bei "At the Burnside" noch einmal alle Geschütze aufgefahren: Grahams hallender Gesang berührt auf eigentümliche Weise, das Klavier klagt im Hintergrund leise mit ihm mit. Der urplötzlich schrill losbrechende Lärm trifft mitten ins Herz und überschwemmt den Hörer erneut mit einer Flut an unterschiedlichen Gefühlen, die von Hoffnung bis zur absoluten Hoffnungslosigkeit reichen. Nachdem das Rauschen langsam ausgeklungen ist, findet man sich wie benebelt wieder – der Sturm "Twilight Sad" ist über einen hereingebrochen und obwohl man keine Ahnung hat, was passiert ist und wieso man sich so beklommen fühlt, wartet man nur darauf, dass es erneut losgeht...

Fazit

Mit "Forget The Night Ahead" ist den Schotten von "The Twilight Sad" ein Werk gelungen, das niemanden kalt lässt – es verstört und berührt auf eine Art und Weise, wie es dieses Jahr kaum ein Album zuvor getan hat. Mit Noise-Gitarren, sich dahinschleppendem Schlagzeug und Sänger Grahams einzigartigem Gesang malen sie ein düsteres, stimmungsvolles Bild, das auf den Hörer eine geradezu magische Anziehungskraft hat – ganz groß!

Anspieltipps

Reflection of the Television

I Became a Prostitute

Room

Interrupted

At the Burnside

Artistpage

TheTwilightSad.co.uk

MySpace-Profil

Tracks

1.Reflection of the Television
2.I Became a Prostitute
3.Seven Years of Letters
4.Made to Disappear
5.Scissors
6.Room
7.That Birthday Present
8.Floorboards Under the Bed
9.Interrupted
10.Neighbours Can't Breathe
11.At the Burnside

Stephanie Stummer - myFanbase
31.12.2009

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