Weitergeh'n
Sieben Jahre nach ihrem letzten Studioalbum "Licht und Schatten" (2003) und fünf Jahre nach dem letzten Best-Of "30 Jahre Karat" (2005) veröffentlichten Karat am 9. April anlässlich ihres 35. Bühnenjubiläums endlich wieder ein neues Studioalbum, mit neuem Frontsänger: Claudius Dreilich, Sohn des verstorbenen Frontsängers Herbert Dreilich.
Karats neues Studioalbum "Weitergeh'n" kann man vorsichtig mit Sillys Album "Alles Rot" vergleichen, denn beide Bands haben einiges gemeinsam. Nach einer langen kreativen Pause und Rückschlägen wagten beide Bands in diesem Jahr einen Neuanfang. Allerdings ist es Silly gelungen, ein makellos überzeugendes Album zu liefern, was man von "Weitergeh'n" nicht behaupten kann. Während der Albumtitel "Weitergeh'n" suggeriert, einen Neuanfang zu wagen, konzentriert man sich dennoch hauptsächlich auf Vergangenheitsbewältigung. Ich gebe ja zu, Karat hatten viel wegzustecken und zu verkraften, wie Herbert Dreilichs Tod oder den nervenaufreibenden Rechtsstreit um den Namen Karat. Mich stört es dennoch, dass auf diesem Album insbesondere die Balladen dominieren. Produziert wurde das Album von André Kuntze, der unter anderem mit den Puhdys und Yvonne Catterfeld zusammenarbeitete. Gemeinsam mit Gisbert Piatkowski ist er außerdem als Gastmusiker auf dieser Scheibe zu hören.
Die Kompositionen und Texte stammen überwiegend von den Bandmitgliedern Martin Becker (Keyboard), Sänger Claudius Dreilich und Christian Liebig (Bass). Der Opener "Steh wieder auf", einer von unzähligen Songs, in denen Karat den Rechtsstreit um ihren Namen und ihre Entwicklung während dieser Zeit verarbeitet, war zur Einstimmung schon mal ein guter Rocksong, doch dabei blieb es leider nicht. Mit dem Nächsten "So wie du" werden dem Zuhörer zwar neue, wenn auch nicht viele, Ideen und Arrangements präsentiert. Und man ist schon überrascht, dass sich die Band an Swing und Blues heranwagte. Allerdings wird man darauffolgenden "Für dich" wieder heruntergezogen, da sich dieses auch auf Karats Vergangenheitsbewältigung konzentriert. Die indirekte Anrede an Herbert Dreilichs Witwe wurde davon abgesehen gut umgesetzt. Wer mit der Geschichte von Karat vertraut ist, der wusste auf Anhieb, wer gemeint ist. Mit "Vorbei" wird es dann wieder ruhiger, auch wenn durch ein Rockintro anfangs vorgetäuscht wird, es käme (endlich mal) ein fetziger Song. Allerdings ist hier schon zu merken, dass sich die Kompositionen wiederholen. Bei "Willkommen im Club" präsentieren sich Karat von einer anderen Seite. Eine Mischung aus Pop, Rock und Trance. Und Trance ist auch eigentlich das richtige Wort um diesen Song als Gesamtpaket zu beschreiben, denn er kann nicht überzeugen, weil er trotz rockiger Elemente langweilig ist und auf mich strapaziös wirkt.
Weiter geht's mit "Verloren" und wie ich bereits erwähnte, überwiegen die Balladen auf diesem Album. Mit diesem Stück bekommt man zur Abwechslung einen qualitätvollen Song geliefert, der mich an alte Karat-Zeiten erinnerte. Doch dieses Auf und Ab auf diesem Album ist kaum zu ertragen, da bereits beim nächsten Song "Weitergeh'n" wieder ein Stück kommt, dass sich auf die schweren Zeiten bezieht. Das einzige Positive, was ich hier erwähnen kann, ist, dass man es endlich geschafft hat, wieder einen (beinahe) rockigen Song zu komponieren. Aber eben nur fast. Die folgenden Stücke "Die Reise" und "Nie zu weit" kann man getrost überspringen, da einem die ganzen Balladen ziemlich schnell aus dem Hals hängen und wirklich nichts Neues kommt, sondern sich allerlei wiederholt. Gerade mal das von Claudius selbst geschriebene und komponierte "Für mich" kann ein wenig überzeugen.
Als ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte, dass das Album absoluter Trash ist, kam mit "Berlin" einer der vielversprechendsten Songs. Eine Art Liebeslied an die Hauptstadt. Was mir daran vor allem gefallen hat, waren die äußerst gelungenen Arrangements. Man kann diesen Song weder in Rock noch in Pop einordnen - er ist eine Mischung aus beidem und bringt jedes Genre gut zur Geltung. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Mit "Sommerzeit" und "Kleine Nachtmusik" schloss sich dann der Kreis. Allerdings wurde man wieder schnell auf den Boden der Tatsache geholt, denn mehr als 0815-Kompositionen und -lyrics werden einem nicht präsentiert, obwohl man aus "Sommerzeit", der ins Groovige tendiert, hätte mehr machen können. Als Bonus haben Karat zwei Titel auf das Album gepresst, die bereits 2006 veröffentlicht wurden. "Melancholie" ist dem verstorbenen Herbert Dreilich gewidmet und ist gleichzeitig Claudius' erster Song gewesen, den er für Karat, damals noch K...!, gesungen hat. Eine wunderbare Ballade, nicht zu kitschig und nicht zu sentimental. Sie befasst sich auch mit Abschied, Weitergehen und nicht aufgeben, legt aber keinen so großen Wert auf balladenhaften Stoff wie eben bei den anderen Stücken auf diesem Album. Dasselbe merkt man bei "Der letzte Countdown", das die Band dem verstorbenen Komponisten Franz Bartzsch zu Ehren aufs Album gepresst hat, da dieser diesen Song geschrieben hat. Wenn man diese beiden Bonussongs aus dem Jahre 2006 mit den Stücken von 2010 vergleicht, stellt man fest, dass sich Karat überhaupt nicht weiterentwickelt haben, sondern eher das Gegenteil eingetreten ist.
Sicher muss man erst mal mit der Vergangenheit abschließen, um einen Neuanfang wagen zu können, doch dafür hatten sie genug Zeit. An Karats Stelle hätte ich das Album anders betitelt und auch nicht in jedem Interview darauf beharrt, es sei Neuanfang, denn davon merkt man nichts. Die Kompositionen sind mehr oder weniger gut arrangiert, doch bei den Texten mangelt es an großartigen und neuen Ideen.
Fazit
Bands wie Silly, Karat oder die Puhdys kennt man hauptsächlich von ihrem Wiedererkennungswert her. Auch wenn sie oft neue Ideen in ihren Produktionen integrieren, bleibt dieser erhalten. Das ist Karat mit ihrem aktuellen Album nun nicht geglückt. Es driftet sogar größtenteils in die Schlagerschublade ab, worauf ich wirklich verzichten kann. Man muss wirklich nicht ständig zu Band- oder Bühnenjubiläen ein Best-Of oder Studioalbum herausbringen. Karat hätten sich neue Leute ins Boot holen müssen, die offen für neue Ideen sind, denn die "alten" Bandmitglieder scheinen dies noch nicht zu sein. Was ich vor allem vermisst habe, waren kritische Statements in den Songs, weshalb ich langsam auch dem Vorwurf der Kritiker, die Band ordne sich unter, zustimmen muss.
Anspieltipps
Berlin
Melancholie
Der letzte Countdown
Artistpages
Tracks
1. | Steh wieder auf | |||
2. | So wie du | |||
3. | Für dich | |||
4. | Vorbei | |||
5. | Willkommen im Club | |||
6. | Verloren | |||
7. | Weitergeh'n | |||
8. | Die Reise | |||
9. | Nie zu weit | |||
10. | Für mich | |||
11. | Berlin | |||
12. | Sommerzeit | |||
13. | Kleine Nachtmusik | |||
14. | Melancholie | (Bonustrack) | ||
15. | Der letzte Countdown | (Bonustrack) |
Dana Greve - myFanbase
27.05.2010
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 09.04.2010Genre: Pop
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